Meister darf jetzt ruhen

Bürgermeister entlässt Sozialstaatsrat, weil dieser ein Untersuchungsausschussprotokoll zum Heim in der Feuerbergstraße angefordert hatte. Die Opposition will den Rauswurf von Justizsenator Kusch

von KAIJA KUTTER

Der Staatsrat der Sozialbehörde, Klaus Meister, erhielt gestern Mittag in seinem Urlaubsdomizil auf Gran Canaria einen unangenehmen Anruf von Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Nachdem dieser den Bericht seines Sonderermittlers Axel Gedaschko zur Protokoll-Affäre des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Feuerbergstraße gelesen hatte, hielt er die Entlassung des Verwaltungschefs mit SPD-Parteibuch für „unumgänglich“, so von Beust am Nachmittag im Rathaus.

Darüber hinaus sollen mindestens 19 Mitarbeiter verschiedener Behörden versetzt werden, für die der Bürgermeister auch „straf- und disziplinarrechtliche Maßnahmen“ nicht ausschloss. Dass sie über Monate unerlaubt interne Protokolle herummailten, sei „kein böser Wille, aber dennoch ein deutliches Ausbildungsdefizit“ dieser Mitarbeiter gewesen, so von Beust.

Wie berichtet hatten die Senatskanzlei wie auch die Sozial- und Justizbehörde von einer Sachbearbeiterin streng vertrauliche Protokolle von Zeugenaussagen vor dem PUA angefordert, der seit einem Dreivierteljahr die Missstände im Geschlossenen Heim Feuerbergstraße untersucht. Bei den teils erst im PUA aufgedeckten Rechtsverstößen geht es unter anderem um die illegale Verabreichung von Psychopharmaka, den Betrieb des Heims ohne gültige Erlaubnis oder die unzulässige Fesselung von Jugendlichen durch Mitarbeiter des privaten Wachdienstes Securitas. Die Opposition geht davon aus, dass sich die 14 bisher vernommenen Beamten mittels der Protokolle auf ihre Aussagen vorbereiteten und eine Aufklärung somit vereitelt wurde.

Wichtige Frage in fast allen Zeugenvernehmungen war, welche Rolle Meister innehatte, der seit Eröffnung des Heims im Februar 2003 direkter Dienstvorgesetzter des städtischer Heimträgers Landesbetrieb Erziehung (LEB) war. Im April 2003 hatte Meister für die Auswechslung des dortigen Geschäftsführers Wolfgang Lerche gesorgt, der den Einsatz eines privaten Wachdienstes ablehnte. Damals sagte Meister, es dürfe „keine Zimperlichkeiten“ geben, Erzieher sollten auch mal „zupacken“.

Sofort nach Bekanntwerden der Protokoll-Affäre beteuerte Meister am 5. März dieses Jahres, er habe die Zuleitung der Protokolle „weder veranlasst“ noch Einblick genommen. Gleiches gelte für seine Chefin, Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU).

Wie von Beust und Gedaschko gestern einräumten, entsprach dies nicht der Wahrheit. Zwar wurden Meister vor seiner Zeugenvernehmung am 19. September aus seinem Hause drei Protokolle angeboten, er habe diese aber nicht angenommen. Dafür habe er nach seiner Vernehmung beim Arbeitsstab des Ausschusses ein 50-Seiten-Dokument angefordert, das er nicht hätte haben dürfen.

Gedaschko und von Beust zufolge unterscheidet sich Meisters Verhalten in diesem Punkt von dem des Justizsenators Roger Kusch (CDU). Der hatte von der Senatskanzlei ebenfalls die Mitschrift seiner Zeugenaussage erhalten, diese aber nicht angefordert. Zudem wird Meister angelastet, dass er spätestens seit dem Protokoll-Angebot im September von der Sache wusste, aber nichts dagegen unternahm. Meister habe gesetzliche Regelungen „nicht respektiert“, kommentierte CDU-Fraktionschef Bernd Reinert. Von Beust lobte Meisters „große Loyalität, unabhängig vom SPD-Parteibuch“, erklärte ihn aber für „politisch und persönlich verantwortlich“.

Nach Ansicht des SPD-Obmanns im Untersuchungsausschuss, Thomas Böwer, wird ein Staatsrat „geopfert“, um Justizsenator Kusch zu schonen – habe dieser doch ebenfalls „nichts unternommen, als die Unterlagen in seiner Behörde vorlagen“. Auch GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch monierte, dass niemand, der „tatsächlich politische Verantwortung trägt, Konsequenzen ziehen muss“.