Vom Parkplatz und der Totenruhe


Es war in Hamburg Exempel und Skandal zugleich: Aus Protest gegen die geplante Überbauung des ehemaligen jüdischen Friedhofs im Stadtteil Ottensen reisten in den Jahren 1991/92 orthodoxe Juden aus Israel und den USA an. Der Anlass war so profan wie strittig: Ein Einkaufszentrum namens „Hertie-Quarree“ – das heutige „Mercado“ – sollte auf dem Gelände des 1664 geweihten Gräberfelds entstehen, das die Nazis 1934 geschlossen und zwischen 1941 und 1943 teils mit Bunkeranlagen überbaut hatten.

1950 hatte die Hamburger Jüdische Gemeinde das Areal zurückerhalten. Sie wiederum verkaufte an Hertie; ein entsprechendes Kaufhaus wurde errichtet. 1988 erwarb ein neuer Investor das Gelände. Der bald folgende Hertie-Abriss schließlich schob die ursprüngliche Funktion des Geländes wieder in den Fokus. Das nun geplante Einkaufszentrum sollte unter anderem Tiefgaragen enthalten und somit auch dort tief ins Erdreich eingreifen, wo noch Gebeine ruhten. Für orthodoxe Juden, die an die keinesfalls zu störende Ruhe der Toten glauben, ein Skandal. Doch Hamburgs Senat fand einen Kompromiss, der den Verzicht auf die Tiefgarage sowie eine Beton-Ummantelung des Gräberfeldes vorsah. Die Parkplätze des 1995 eröffneten Einkaufszentrums wurden ins Obergeschoss verbannt.

Eine Lösung, mit der reformorientierte Juden wie etwa Daniel Haw, der Leiter des Hamburger Jüdischen Theaters Schachar, gut leben können. „Eine Tafel im Untergeschoss nennt – neben einem ewigen Licht platziert – auf Ivrit und Latein die Namen all derer, die dort bestattet sind. Ich halte das für eine würdevolle Lösung.“

Denn bezeichne die Tora die Totenruhe auch als unantastbar, gebe es doch moderne Auslegungen, die es liberalen Juden erlaubten, sowohl einer Umbettung als auch einer Bebauung ehemaliger jüdischer Friedhöfe zuzustimmen – ein angemessenes Gedenken immer vorausgesetzt. PS