Die Trauer nach dem Schuss

Nach einem normalen Einsatz liegt der 42-jährige Polizist Uwe L. im Sterben. Die Suche nach dem Täter konzentriert sich auf die Hasenheide. Das bedeutet nicht, dass er aus dem Drogenmilieu kommt

Von PLUTONIA PLARRE

Nach wie vor ist unklar, wer der Mann ist, der am Freitagabend in Neukölln den Zivilfahnder Uwe L. niedergeschossen hat. Aber die Polizei ist wild entschlossen, den Täter zu finden. „Wir werden alle Fahndungsmöglichkeiten nutzen“, erklärte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern im parlamentarischen Innenausschuss.

Der Vorsitzende des Gremiums, Peter Trapp (CDU), der früher selbst als Polizist gearbeitet hat, sagte tief bewegt: „Dieser verbrecherische Anschlag hat alle Kollegen geschockt.“ Alles müsse dafür getan werden, die Tat aufzuklären. Für die Ergreifung des Täters sind 10.000 Euro Belohnung ausgesetzt worden.

Bei dem 42-jährigen Hauptkommissar Uwe L. können die Ärzte keine Hirnströme mehr gemessen. Wann er offiziell für tot erklärt wird, ist nur noch eine Frage der Zeit. Was den Fall für seine Kollegen über den persönlichen Verlust hinaus so tragisch macht: Der Einsatz, der dem Beamten das Leben gekostet hat, lief erst völlig normal ab. Verdächtige zu verfolgen ist das täglich Brot eines jeden Zivilfahnders. „Wer rennt, macht sich verdächtig“, so die Logik. Dieser Regel ist auch Uwe L. gefolgt, ein erfahrener Zivilfahnder, als er am Freitagabend kurz nach 21 Uhr beim Streifendienst aus dem Auto heraus zwei Männer in der Flughafenstraße auf dem Bürgersteig in Richtung Hasenheide rennen sah. Zusammen mit einem Kollegen nahm L. zu Fuß die Verfolgung auf. Auf seinen Zuruf, „Stehen bleiben, Polizei!“, habe sich einer der Täter in der Fontanestraße umgedreht und unvermittelt mehrere Schüsse abgefeuert, rekonstruierte Glietsch den Vorgang. Von einem Projektil in den Kopf getroffen brach der Hauptkommissar auf der Straße zusammen.

Uwe L., so das Fazit des Polizeipräsidenten, habe bei dem Einsatz keine Fehler gemacht. „Er hat sich völlig korrekt und lageangepasst verhalten.“ Auch das beste Eigensicherungstraining hatte in diesem Fall keinen Schutz geboten.

Die mit dem Fall betraute Mordkommission ist inzwischen auf 30 Beamte aufgestockt worden. Schwerpunkt der Ermittlungen sind der Volkspark Hasenheide und Umgebung. Der Park gilt in Berlin als zentraler Markt für weiche Drogen. Vom Akademiker bis zum Arbeiter und Ungelernten – viele Konsumenten erstehen dort ihr Haschisch und Marihuana. Die Handelsmengen übersteigen allerdings kaum die 15 Gramm Marke. Der Grund: Bis 15 Gramm ist der Besitz von weichen Drogen laut Senatsrichtlinie straffrei, wenn diese zum Eigenverbrauch bestimmt sind. Bei den Dealern handelte sich laut Polizei im Wesentlichen um Schwarzafrikaner, aber auch gebürtige Türken seien vertreten.

Mit einer regelmäßiger Bestreifung und Großrazzien versucht die Polizei seit geraumer Zeit, die Hasenheide drogenfrei zu bekommen. Die Maßnahmen haben aber nur kurzzeitig Erfolg. Die Dealer leisteten bei den Festnahmen teilweise Widerstand, so die Erfahrung von Polizisten. Aber wenn sie eine Waffe dabei hätten, dann meist ein Messer. Schusswaffen tauchten bei Festnahmen eher selten auf.

Dass sich die Ermittlungen auf die Hasenheide und Umgebung konzentrieren, bedeutet indes nicht, dass der Täter in der Drogenszene vermutet wird. Nach taz-Informationen liegen der Polizei dafür bislang auch keine Indizien vor. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, heißt es. Denkbar sind viele Gründe, warum der zirka 1,80 Meter große, südländisch aussehende Täter an diesem Abend mit einem zweiten Mann durch Neukölln gerannt ist. Gewiss ist nur eins: Der Schütze war zu allem bereit.

In Springers Bild avancierte Uwe L. gestern zu Berlins „härtestem Drogen-Cop“. Er war kein reiner Drogenfahnder, sagen dagegen seine Kollegen. Uwe L. habe ganz normalen Streifendienst gemacht. „Aber er war wirklich ein Guter.“ In diesem Jahr hätte seine Versetzung in einen anderen Dienstbereich angestanden.