Kein Glamour in München

Der FC Bayern besiegt Schalke 04 mit 3:0 – dennoch will kein allzu großer Jubel aufkommen beim Tabellenführer. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bastelt schon an einer neuen Mannschaft

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Dass Hasan Salihamidzic der militanteste Knuddler auf dem Feld war? Geschenkt. Kein Wunder, dass der gut drauf war: erstes Saisontor gemacht, auch noch mit dem Kopf, ein sehr wichtiges dazu. Fünf Minuten vor Schluss durfte der Dauerwuseler Feierabend machen, stand aber kurz darauf schon wieder auf dem Platz: Makaay hatte mit freundlicher Unterstützung des Arbeitskollegen Krstajic endlich mal wieder ins Eckige getroffen – da hielt es den Brazzo weder auf der Bank noch in der Coaching-Zone.

Nach dem Schlusspfiff durfte er endlich seinen Kumpels um die Hälse fallen – selten innige Szenen spielten sich nach dem 3:0 gegen Schalke ab. Und es hub an ein einziges Drücken und Herzen, das weit über das gewöhnliche Abklatschen hinausging: Rudelbildung zu Kuschelzwecken. Die Ach-so-coolen-immer-Gewinner wollten gar nicht mehr voneinander lassen, so froh waren sie, auch das 19. der letzten 20 Heimspiele gewonnen zu haben. Der FC Bayern hatte vor dem Spitzenspiel nämlich eine harte Zeit hinter sich: nur ein Sieg aus den vergangenen fünf Spielen. Drohender Autoritätsverlust, nicht nur auf internationaler Bühne. Dazu der Wettskandal-Ärger mit diesem Münchner Boulevardblatt. Dann die ungefähr 117. Hiobsbotschaft aus dem Hause Deisler. Verletzte zuhauf, dass gar der paraguayanische Novize Julio dos Santos erstmals beim Warmlaufen gesichtet wurde. Und wer dem einmal mehr verhinderten Champions-League-Sieger in der ersten Halbzeit zusah, sich für die nächste Saison noch Michael Ballack wegdachte, dem konnte Angst und Bange werden. Planloses Gerumpele, ein Spiel, das flehentlich nach Mehmet Scholl zu schreien schien. Natürlich hatte es nichts zu bedeuten, dass Stefan Effenberg zuvor am Spielfeldrand stand; er gibt bei der WM den TV-Experten. Frau Claudia übrigens auch: als Lifestyle-Reporterin.

Doch die glamourösen Zeiten sind vorbei. Die derzeit blasse Besetzung verdiente sich eins der berüchtigten kaiserlichen Halbzeit-Statements: „Das ist Untergiesing gegen Obergiesing“, wetterte Franz Beckenbauer zum ungefähr 118. Mal, „ich habe keine einzige vollständige Aktion gesehen. Das Spiel ist eine Katastrophe.“ Sogar der allzeit zuversichtliche Felix Magath räumte ein: „Die letzten Ergebnisse haben uns natürlich viel Selbstvertrauen gekostet. Deshalb waren wir am Anfang sehr nervös, hatten kaum klare Aktionen.“

Was sich mit dem überraschenden 1:0 durch Salihamidzic schnell änderte: „Danach haben wir spitzenmäßig gespielt“, so Magath. Zumindest was die Chancenauswertung angeht, wird ihm niemand widersprechen: Das gerade erst eingewechselte Ex-Phantom Makaay legte für Pizarro auf: 2:0, Spiel entschieden, Meisterschaft wohl auch. Fabian Ernst analysierte treffend: „Je länger das Spiel dauerte, desto mehr haben wir den Faden verloren.“ Er dachte dabei wohl vor allem an die 89.Minute, als es auch für Roy Makaay Zeit für Geschenke war: Krstajic nötigte ihm den ersten Treffer seit Mitte Februar praktisch auf.

Wie groß die Erleichterung war, zeigte Käpt’n Kahns Reaktion nach dem 2:0: Im Sprintertempo stürmte er Richtung Mittellinie, krallte sich Martin Demichelis und jubelte ihn kräftig durch. Die gute Laune hielt auch dem Giesing-Donnerwetter Beckenbauers stand: „Ich hab das nicht so krass gesehen. Da muss ich mit dem Franz mal reden.“ Überrascht hat ihn das glatte dreinull offenbar nicht: „Was das ausmacht, wenn wir ein bisschen Druck haben.“ Den hatten sie in Mailand allerdings auch.

Um der nächsten Champions-League-Schlappe vorzubeugen, streckt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schon mal die Fühler aus: „Ich gehe davon aus, dass wir drei, vier neue Spieler holen. Und zwar Spieler, die unsere Qualität verbessern. Vermutlich in Abwehr, Mittelfeld und Sturm.“ Tim Borowski sei ein Spieler, „der mir persönlich sehr gut gefällt“, zum Thema Podolski ist er „optimistisch, dass er kommt – aber ich weiß nicht, wann.“ Zudem werde das Prämiensystem, das jedem Spieler Sonderzahlungen anbot, wieder geändert. „Wir werden diesen netten Versuch abhaken, denn er ist bei der Mannschaft scheinbar zu nett angekommen.“ So viel zum Thema Kuschelkurs. Ausgeknuddelt.