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ENGLÄNDER DUSCHEN IN KLAMOTTEN. DIE DEUTSCHEN ZIEHEN SOGAR IM SCHWIMMBAD BLANKNackte Cocktails

JACINTA NANDI

Die Engländer sind prüde. Wir werden nicht nackig.

Nicht im Schwimmbad, nicht in der Sauna, nicht am Strand, nicht am See. Nicht mal beim Duschen hinterher, obwohl unsere Duschen immer nach Geschlecht getrennt sind. Aber trotzdem, in England, da wird man nicht nackig. Wir duschen in unseren Badesachen.

Neulich am Telefon erzähle ich meiner Mama von einem Thermenbad in Ludwigsfelde.

„Das Wasser ist voll heiß!“, sage ich. „Total heiß. Und es gibt mehr Salz im Wasser als bei einem normalen Schwimmbad.“

„Ach so, ja“, sagt meine Mama. Ich merke, dass sie nur halbwegs zuhört.

„Und man soll nackig schwimmen.“

Ich höre, wie meine Mama nach Luft japst.

„Habe ich dich richtig gehört?“, fragt sie. „Man darf nackig schwimmen?“

„Nein!“, sage ich. „Man soll nackig schwimmen. Und am Mittwoch und Samstag muss man nackig schwimmen.“

Meine Mama ruft: „IN DEM SCHWIMMBAD!“

„Nackig bis zu den Eiern“, sage ich. „Und es gibt im Schwimmbad, im Becken selbst, so ’ne Kneipe. So ’nen Tresen. Und alle sitzen nackig rum, auf Barhockern.“

„Im Becken selbst? Eine Kneipe? Im Wasser?“

„Ja!“, sage ich.

„Aber sie servieren nicht Alkohol, oder? Was, wenn man betrunken wird? Man darf nicht betrunken schwimmen, oder?“

„Doch!“, sage ich. „In Deutschland ist das Brauch. Die ganzen Opas sitzen da rum, im heißen Wasser, mit weißen Schnurrbart und nicht ein Zentimeter Badehosenstoff, und sie sitzen da und trinken. Sie trinken Cocktails.“

„SIE TRINKEN COCKTAILS?“, ruft meine Mama.

„So Sex on the Beach und so“, sage ich. „Nackig. Cocktails. Rosa, türkis. Mit so ’nem Miniregenschirm. Ich sage dir, wie das aussieht, Mama. Das sieht aus wie ein Al-Qaida-Propagandavideo, so sieht das aus.“

„Jacinta“, sagt meine Mama. „Ja“, sage ich.

„Werden diese Cocktails in Plastikbechern serviert?“

„Nein“, sage ich. „In echten Gläsern.“

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Montag Barbara Dribbusch Später

Dienstag Deniz Yücel Besser

„Oh mein Gott“, sagt sie. „Alle so besoffen, und so nackig, und noch dazu echtes Glas im Pool. Jacinta, mein Kind, da ist ein Unfall vorprogrammiert.“

In meiner ganzen Kindheit gab es einmal eine nackte Frau in der Dusche. Ich kann mich noch erinnern an den Schock über den Anblick ihres Körpers – ihre Nippel waren dunkler als die meiner Mama, ihre Schamhaare voller. Weil sie nackig war, ging keine von uns unter die Dusche, während sie drunter stand.

Wir warteten, niemand sprach, alle guckten zu Boden. Dann ging die Frau weg, zur Umkleidekabine. Wir sprangen alle gemeinsam hinter ihr her in die Umkleide.

Meine Mama flüsterte laut: „Kinder, diese Dame muss auf dem Kontinent leben! Auf dem Kontinent duschen sie immer nackig!“

Ich schaute meine Mama an und nickte.

Vielleicht bin ich genau deswegen hierhergekommen, denke ich mir jetzt.

Ich bin dieser nackten Frau hinterhergerannt.

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