UNVERBREMT: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER WERTEWANDEL
: Die Feuchtgebiete der Union

Vier Jahre, das ist eine Ewigkeit, aber manchmal ist es nötig, alte Geschichten aufzuwärmen – um aktuelle Ereignisse einzuordnen. Vor vier Jahren nämlich war Charlotte Roche mal bei Radio Bremen Moderatorin der Talkshow „drei nach neun“, aber nur kurz und dann sehr bald schon wieder weg. Auch weil die Bremer CDU sie schon vor dem Dienstantritt unter Feuer genommen hatte – wegen ihres Bestsellers „Feuchtgebiete“. Das Buch sei „von der ersten bis zur letzen Seite obszön“, wetterte Elisabeth Motschmann, Kulturstaatsrätin a.D., Bürgerschaftsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Rundfunkausschusses.

Es sei sogar „pervers und bedient sich durchgängig einer Fäkalsprache, die ihresgleichen sucht“. Radio Bremen leiste durch diese Personalie „der Verrohung der Sprache und erst recht der Inhalte“ Vorschub – und fördere den „Werteverfall in unserer Gesellschaft“, kurz: Untergang des Abendlandes. Mindestens.

Ja, ja, das ist ewig her, und nach etlichen Bühnenfassungen kommen die Feuchtgebiete jetzt ins Kino: Spiegel online beobachtet, dass in der Verfilmung Gemüse vaginal genossen wird, der Spiegel, dass „fünf Männer gleichzeitig auf eine Pizza wichsen“ und die FAZ nennt ihre Bilder „schockierender als die des Romans“, was nicht sehr überrascht. Gefördert worden ist das Werk mit 467.147,36 Euro aus dem vom Staatsminister für Kultur Bernd Neumann (CDU) verwalteten Deutschen Filmförderfonds: Das entspricht immerhin fast einem Prozent der 2012 bewilligten Zuwendungen, und ausgereicht werden darf die ausschließlich an „Filme mit kulturellem Inhalt, die einen Kulturtest bestehen“. Oder, um mit Neumann zu sprechen: Es geht um „filmische Perlen“.

Und Frau Motschmann? Schweigt dazu. Und macht Wahlkampf. Sie will ja im Herbst in den Bundestag. Als Nachfolgerin von Bernd Neumann, diesem üblen Agenten des Werteverfalls und der Verrohung der Inhalte.