AMERICAN PIE
: Beleidigter Kostenfaktor

BASEBALL Der Doping-Fall des Alex Rodriguez wird mehr und mehr zu einer im Live-TV ausgetragenen Schlammschlacht

A-Rod ist sich sicher, dass ihn die Liga und sein Klub unbedingt loswerden wollen. Das könnte sogar stimmen

Ein bisschen geht es bei den New York Yankees gerade zu wie im Kindergarten. Die sind nicht nett zu mir, beschwert sich der kleine Alex über die Erzieher in der Kita „Bronx Zoo“. Das hat der sich doch selber zuzuschreiben, sagen die Erzieher. Das ist total ungerecht, heult da Alex, den alle A-Rod nennen. Gar nicht, blöken die Erzieher zurück. Die Kindergartenverwaltung droht Alex daraufhin, ihn aus der Kita zu werfen. Da taucht ein Kumpel von A-Rod auf, der sich im Gesetzbuch gut auskennt, und sagt: Die kommen damit nicht durch.

Nun geht es aber im Bronx Zoo, dem US-amerikanischen Äquivalent zum in München beheimateten „FC Hollywood“, nicht bloß um Plastikschippen und Kuchenförmchen, sondern um Lüge und Verrat, Ehre und Ansehen und nicht zuletzt um sehr viel Geld. Denn der kleine Alex heißt mit Nachnamen Rodriguez, ist in Wahrheit 38 Jahre alt und nebenbei der bestbezahlte Baseballprofi aller Zeiten.

Dummerweise aber hat Rodriguez seine extraordinären Leistungen auf dem Spielfeld wohl zu einen guten Teil leistungssteigernden Mitteln zu verdanken. Er hat auch Doping zugegeben, allerdings nur zu einer Zeit, in der es von der Kindergartenverwaltung, die sich hier Major League Baseball (MLB) nennt, noch nicht verfolgt wurde. Mittlerweile aber hat MLB ihre Dopingpolitik verändert: Zuletzt wurden 13 Spieler im Zusammenhang mit der vorgeblichen Schönheitsklinik Biogenesis gesperrt. Alle haben ihre Strafen akzeptiert. Nur Rodriguez hat Widerspruch eingelegt und spielt so lange weiter, bis der geklärt ist.

Rodriguez fühlt sich ungerecht behandelt. Während seine Sandkastenkumpels mit Sperren von 50 Spielen davonkamen, soll er 211 Spiele aussetzen. Er und seine Anwälte bemühen sich deshalb, eine Verschwörungstheorie zu konstruieren, nach der MLB und die New York Yankees ein Komplott gegen ihn geschmiedet hätten. Eine tatsächlich nicht völlig von der Hand zu weisende Theorie, denn alle Parteien außer Rodriguez hätten ein Interesse daran, den gefallenen Superstar loszuwerden. Der Liga sind der als arrogant verschrieene Rodriguez und seine obszön dotierten Verträge aus Imagegründen schon lange ein Dorn im Auge, und die Yankees wollen schlicht Geld sparen.

170.000 Dollar für jedes der nahezu täglich stattfindenden Spiele bekommt Rodriguez im Moment, sein Zehnjahresvertrag läuft noch bis 2017. Die geschätzten 100 Millionen, die noch ausstehen, würden sich die Yankees gern sparen. Denn seit George Steinbrenner, der den Klub 37 Jahre lang wie ein Patriarch geführt hatte, 2010 verstorben ist, haben die Yankees ihre Ausgabenpolitik verändert. Die neuen Besitzer, Steinbrenners Söhne Hal und Hank, haben das Management angewiesen, die Kosten auf ein halbwegs vernünftiges Maß zu reduzieren. Das ist aufgrund vieler langfristiger Verträge mit überbezahlten Profis nicht ganz einfach.

In dieser Situation gehen nun die Anschuldigungen hin und her. MLB wirft Rodriguez vor, er habe versucht, ihren Kronzeugen im Biogenesis-Fall zu bestechen. Rodriguez Anwälte behaupten, das Geld sei nur versehentlich auf dem Konto des Biogenesis-Besitzers gelandet. Rodriguez wirft den Yankees vor, sie hätten eine Hüftverletzung falsch diagnostiziert. Die Yankees werfen Rodriguez vor, er habe gegen Ligavorschriften verstoßen, als er die Meinung eines zweiten Arztes einholte. Rodriguez’ Anwälte präsentieren Röntgenbilder von der Hüfte ihres Klienten in einer TV-Talkshow. MLB schlägt daraufhin – ebenfalls live im Fernsehen – den Anwälten vor, die Details der Dopingvorwürfe gegen Rodriguez offenzulegen, wenn der die Liga von ihrer Vertraulichkeitspflicht entbinde. Die Anwälte lehnen das – wir sind immer noch im Live-TV – als „billigen Publicity-Trick“ ab. Neueste Gerüchte besagen nun, Rodriguez habe bereits im April einen Deal abgelehnt hat, der ihm eine sehr viel geringere Sperre versprochen hätte. Offensichtlich aber gefällt es ihm so gut im Kindergarten, dass er keinen Tag mit seinen Spielkameraden missen will.

THOMAS WINKLER