Der Doppelpass-Trick

Wie Roland Koch 1999 seine Liebe zur Einwanderungspolitik entdeckte

BERLIN taz ■ Im Winter 1998/99 hatten zwei Politiker ein Problem: Roland Koch, CDU-Fraktionschef im hessischen Landtag, und Franz Jung sein parlamentarischer Geschäftsführer. Die zwei wollten in Hessen an die Macht, doch Rot-Grün lag in den Umfragen klar vorn. Welches Reizthema hatte Potenzial? Schulpolitik? Dann schon eher der rot-grüne Plan, Einwanderern die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Sicher, es gab das Risiko, als ausländerfeindlich zu gelten – und darüber einen Streit in der CDU auszulösen. „Wir sind 13 Prozent weg“, sagte Jung. „Jetzt ist high risk management gefragt.“

Das Risiko hat sich für sie gelohnt. Roland Koch regiert heute Hessen, sein Freund Franz Josef Jung befehligt die Bundeswehr, und die doppelte Staatsbürgerschaft, genannt Doppelpass, haben sie auch verhindert. Was vom rot-grünen Zuwanderungsgesetz übrig blieb, dient Koch sieben Jahre später im Kommunalwahlkampf: Wieder muss verhindert werden, dass der deutsche Pass verschenkt wird – mit einem Wissenstest für Einbürgerungsbewerber. 1999 kümmerte sich Koch nicht um Parteifreunde wie Heiner Geißler, die mahnten, Ausländerthemen im Wahlkampf seien immer „Wasser auf die Mühle der Rechtsextremen“ gewesen. Die CDU druckte Unterschriftenlisten gegen den Doppelpass und verschickte Antwortkarten mit Kochs Bild.

Die Aktion mit dem Wissenstest des Jahres 2006 ist eine Nummer kleiner und kein CDU-Politiker hat etwas dagegen. Es lässt sich auch nichts Diskriminierendes in reinen Wissensfragen finden. Doch auch der Text zur Unterschriftenkampagne 1999 war unverfänglich. Er betonte wortreich die „große Bedeutung“ der Integration der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Im Schlusssatz wurde nüchtern die doppelte Staatsbürgerschaft abgelehnt. Trotzdem kam die Botschaft an: Passanten regten sich an CDU-Ständen über „türkische Faulenzer“ auf. Die CDU ließ sich nicht beirren und sammelte 200.000 Unterschriften. Rot-Grün hielt mit Inseraten dagegen: Boris Becker, Thomas Gottschalk und Marius Müller-Westernhagen für die doppelte Staatsbürgerschaft.

Koch und Jung gewannen. Es war in Hessen das beste CDU-Ergebnis seit 17 Jahren.

GEORG LÖWISCH