Kongokrieg in Berlin

AUS BERLINDOMINIC JOHNSON

Die FDP ist dagegen, die Linkspartei auch. Die CDU ist eher dafür, die CSU eher nicht. Manche Grüne wünschen sich deutsche Kampftruppen, andere nicht. Die SPD ist sowohl dafür als auch dagegen. Der geplante Kongo-Einsatz der EU mit deutscher Beteiligung bringt die Berliner Parteienlandschaft in Zustände, die an die chaotischsten Zeiten des kongolesischen Friedensprozesses erinnern. Und während im Kongo Zweifel am Wahltermin des 18. Juni sofort auf scharfe Zurechtweisungen der Geldgeber stoßen, weiß die deutsche Politik noch nicht einmal, ob der Bundestag über eine Kongo-Truppe im März, im April oder – das erschien gestern Abend als wahrscheinlich – erst im Mai abstimmt. Kongos führende Tageszeitung Le Potentiel kommentierte am Samstag belustigt, die EU solle lieber nach Paris Soldaten schicken als nach Kinshasa: In der französischen Hauptstadt sei schließlich die Lage um einiges instabiler als in der kongolesischen.

Gestern berieten in Berlin Verteidigungsexperten aus Deutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Polen und Schweden darüber, welches Land wie viele Soldaten mit welcher Funktion in die auf 1.500 Mann angesetzte EU-Eingreiftruppe entsendet, die kurz vor den Wahlen in Kongos Hauptstadt eintreffen und vier Monate bleiben soll. Zugleich berieten in Brüssel die EU-Außenminister und ließen sich von EU-Chefaußenpolitiker Javier Solana briefen, der am Sonntag in Kinshasa bei einem Blitzbesuch Kongos Präsident Joseph Kabila, Vizepräsident Azarias Ruberwa, den Chef der Wahlkommission und die UN-Chefs getroffen und deren Zustimmung eingeholt hatte.

In Brüssel hieß es, vierzehn Länder wollten sich an der Mission beteiligen. Eine endgültige Entscheidung fiel noch nicht. Die wichtigsten Punkte sind aber längst klar: Ein Drittel der Truppe kommt aus Frankreich, ein Drittel aus Deutschland, das letzte Drittel aus so vielen anderen EU-Ländern wie möglich. Das Hauptquartier des Einsatzes kommt nach Potsdam, aber das tatsächliche Kommando liegt bei den Franzosen in Kinshasa, die dort auch die einzigen Kampftruppen stellen. Die Bundeswehr schickt in die kongolesische Hauptstadt lediglich 100 Techniker und Stabsoffiziere. Die anderen stehen in Frankreichs ständiger Militärbasis in Gabun, auf dem deutschen Kriegsschiff „Berlin“ im Atlantik – oder in Deutschland.

Alles weitere war gestern genauso unklar wie vorher: der Auftrag der Truppe, ihr Verhalten im Krisenfall, ihre Zusammenarbeit mit der UN-Mission, ihre Rolle bei möglichen Evakuierungen, die Kriterien für den Einflug der in Reserve stehenden Soldaten. Die Kommandeure, die Einsatzregeln, das Zusammenspiel der Kontingente: All dies muss erst noch in einen Einsatzplan gegossen werden, dessen Erstellung sechs bis sieben Wochen dauern könne, wie es gestern hieß – also bis in den Mai hinein.

Um den Eindruck zu vermeiden, die Beratungen steckten fest, sagte Steinmeier, die Erfüllung der Bedingungen Deutschlands sei „einen entscheidenden Schritt weiter“. Offizielle Stellen verbreiten in diesem Zusammenhang Altbekanntes als Neuigkeiten – gestern zum Beispiel die Wahl Potsdams als Hauptquartier. Um nicht als ratlos dazustehen, fordern Politiker Unumstrittenes – gestern zum Beispiel SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die eine zeitliche und räumliche Begrenzung des Einsatzes verlangten.

Das FDP-Präsidium begründete seine einstimmige Ablehnung des Einsatzes gestern so: „Wir halten es für nicht verantwortbar, dass in diesen unübersichtlichen und ungeordneten Verhältnissen Leib und Leben von Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten im Kongo riskiert werden.“ Steinmeier konterte, Militäreinsätze seien „nie völlig risikofrei“. Worin das Risiko besteht, sagt die Bundesregierung nicht.