„Eine Art Widerhaken“

BUCHPRÄSENTATION Zwischen Spiderman und Spiegelman: Comics als Spiegel der Gesellschaft

■ 34, studierte Literaturwissenschaft und arbeitet als Journalist und Lektor. Er ist Mitherausgeber der Testcard-Anthologien.

taz: Herr Engelmann, eine Dissertation über so etwas Triviales wie Comics ist subtiles Klugscheißen!

Jonas Engelmann: Das sind wissenschaftliche Arbeiten immer ein wenig, auch um sich abzugrenzen. Generell gibt es in der Wissenschaft eher eine Scheu vor popkulturellen Themen, als dass diese zu hohe Weihen erfahren würden. Aber der Comic als kulturelles Phänomen ist es durchaus wert, genauer betrachtet zu werden.

Deshalb dieses Thema?

Nein, das war eine spontane Entscheidung. Wenn schon promovieren, dann sollte es etwas sein, womit ich mich noch gar nicht auskannte. Ich bin kein Comic-Nerd, sondern hatte den Drang, etwas Neues zu entdecken.

Worauf sind Sie gestoßen?

Auf Spannungsverhältnisse, zum einen zwischen Text und Bild, zum anderen in den Räumen zwischen den Panels. Diese Leerstellen müssen gefüllt werden und bieten die Möglichkeit zur Reflektion. Eine Art Widerhaken in der Ästhetik also, der dem Leser als Projektionsraum dient.

Braucht es das, wenn Comics oft nur simpel nach Muster gut vs. böse funktionieren?

In denen, die ich untersuche ist das nicht so eindeutig. Hier geht es um Aids, Religion oder Rassismus – die Themen sind weniger greifbar und differenzierter.

Art Spiegelman, Charles Burns – Ihr Fokus liegt auf „anspruchsvollen“ Graphic Novels?

So eine Abgrenzung finde ich albern. Auch Asterix oder Tim und Struppi funktionieren nicht nur als reiner Kinder-Comic. Und in Mainstream-Produktionen wie Spiderman steckt mehr, als im Kino zu sehen ist. Das sind interessante Geschichten über Machtverhältnisse aus dem Amerika der 30er- und 40er-Jahre.

Wo bleibt der Spaß bei all der Ernsthaftigkeit?

Bei vielen gern mal auf der Strecke. Aber ich hatte zum Glück die Freiheit, mich mit Spaß auszutoben – eben weil auf dem Gebiet noch nicht so viel kluggeschissen wird.  INTERVIEW: ARS

Gesellschaftsbilder im Independent-Comic, Buchpräsentation mit Jonas Engelmann: ab 19.30Uhr, Strips & Stories, Seilerstraße 4