Frivol besungenes Trockenrindfleisch

Die „Pasta Opera“ im Ballhaus Mitte wehrt sich preußisch-barock gegen das Hungern beim Hören

Fundamentalisten hegen mit gewissem Recht den Verdacht, die Oper sei eine kulinarische Kunst. Eine schöne Stimme vermag auch tatsächlich so manchen Libretto- oder Regieschwachsinn zu entschuldigen. Aber gerade die Freunde der guten Küche haben in der Oper ein Problem: Entweder dinieren sie vorher und sitzen dann schläfrig mit viel zu vollem Bauch im Parkett. Oder sie hungern sich durch bis zum Finale, in der verzweifelten Hoffnung, noch kurz vor Mitternacht ein Lokal zu finden, das ihnen ein volles Menü serviert.

Julia Regehr hatte schon vor ein paar Jahren in München die Idee, dieses Problem auf eine Weise zu lösen, wie sie zuletzt an barocken Höfen üblich war. Unter dem Titel „Pasta Opera“ bot sie an: drei Gänge plus Gesang. Da es in Berlin immerhin drei Opern gibt, war es nahe liegend, dieses Konzept auch hier auszuprobieren. Mit der oberen Etage des Ballhaus Mitte hat Julia Regehr eine Location gefunden, die den höheren Ansprüchen der ästhetischen Schlemmerei noch einen zusätzlichen lokalhistorischen Stimmungsreiz verleiht.

Serviert wird im Kerzenlicht, unter halbblinden Spiegelwänden, im ruinösen ehemaligen Festsaal für preußische Offiziere – als gelte es, die Geister einer glorreichen Vergangenheit zu beschwören. Für 56 Euro – dafür bekommt man in der Staatsoper schon einen ziemlich guten Platz, in der „Pasta Opera“ aber keine inklusiven Getränke – darf man an kleinen, kontaktfördernden Tischen Platz nehmen. Weil es in der Oper außer ums Singen immer um den Sex geht, tritt das Personal in Kostümen aus dem bekanntlich frivolen Rokoko auf und verteilt heimliche Liebesbriefchen an die Gäste. Eine holde Schöne sitzt am Klavier.

Nach der Vorspeise (getrocknetes Rindfleisch, Mozzarella und Melone) trägt ein Gesangsquartett allerlei Szenen von Mozart bis Offenbach vor – allzu genau ist die historische Referenz der Kostüme offenbar nicht zu nehmen. Näher an den Ohren und Augen des Publikums als in jedem Opernhaus der Welt wogt dann der Busen, nicht nur metaphorisch, sondern der Atemtechnik wegen ganz real. Auch die Lippe bebt wirklich und sichtbar. Besonders Glückliche unter den meist schon etwas Ergrauten an den Tischen dürfen sich auch mal handgreiflich umarmt als Liebesobjekt in dieser Art besingen lassen.

Der Hauptgang besteht zwar nur aus schlichten Nudeln mit Tomatensauce. Aber dafür klingen die jungen Stimmen von Gesangsstudenten, die hier wahrscheinlich nützliche Erfahrungen für die Bühne sammeln, wunderschön. Sie entschuldigen für den ganzen Rest – vor allem für die schrecklich gestelzten Texte, die eine Conférencière zwischen die Gesangsszenen spricht. Sie hat offenbar allen Ernstes vor, den sinnfreien Spaß zum Gesamtkunstwerk aufzublähen, und plappert daher viel zu laut von Liebe, Lust und Sinnlichkeit. Falls sie damit den Sex meint – wir wissen auch ohne sie schon lange, dass es am Ende immer darum geht. Das ist so unvermeidlich wie das Tiramisu, das als Nachspeise serviert wird.NIKLAUS HABLÜTZEL

Nächste Pasta Opera: morgen, 20 Uhr, Ballhaus Mitte, Auguststr. 24, Reservierungen unter: (07 00) 77 88 66 44