Kunst bleibt im Westen

MUSEUM Neubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum ab 2014 geplant. Preußenstiftung korrigiert Masterplan: kein Umzug Alter Meister auf die Museumsinsel

„Der Neubau für ein Museum der modernen Kunst bedeutet an diesem Standort gleichzeitig eine riesige Chance für das Kulturforum“

HERMANN PARZINGER, PRÄSIDENT DER STIFTUNG PREUSSISCHER KULTURBESITZ

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie Alter Meister und Skulpturensammlung, sah am Mittwoch als einziger unter den vier Berliner Museumschefs nicht glücklich aus. „Ich bedauere zutiefst, dass die Sammlungen der Alten Meister am Kulturforum nicht mit denen auf der Museumsinsel zusammengeführt werden können“, Finanzielles hin oder her, motzte Lindemann. Der Grund: Kurz zuvor war der bisher gültige „Masterplan zur Entwicklung der Berliner Museumslandschaft“ gekippt worden, der vorsah, auf der Museumsinsel für die Malerei vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert eine Super-Gemäldegalerie zu errichten. Stattdessen wurde Berlins neues Museumskonzept von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) präsentiert.

Nach dem neuen Fahrplan ist mit der weiteren Konzentration von Kunst in der Berliner Mitte – außer am Humboldtforum – erst einmal Schluss. Stattdessen soll am Kulturforum bis zum Jahr 2022 ein neues Museum für die Kunst der Moderne entstehen.

130 Millionen Euro

Für den rund 10.000 Quadratmeter großen Neubau an der Sigismundstraße – in der Nachbarschaft zur Neuen Nationalgalerie – seien rund 130 Millionen Euro Baukosten veranschlagt. Weitere 50 Millionen Euro könnten noch für die Planung, den Umzug, die Neuordnung der Sammlungen und für die Herrichtung der Nationalgalerie als reines Ausstellungshaus für die Kunst des 20. Jahrhunderts zu Buche schlagen, sagte Hermann Parzinger, Präsident der SPK.

Ein Architektenwettbewerb soll 2014 für den geplanten Neubau durchgeführt werden, die Kosten für das Bauprojekt trägt der Bund. Das Grundstück an der Sigismundstraße gehört zu gleichen Teilen der Stiftung und dem Land Berlin.

Nach Ansicht von Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Berliner Museen, werde mit dem Neubau eines „der drängendsten Probleme“ der Berliner Museen angegangen. Die Kunst der klassischen Moderne, die mangels Fläche derzeit nicht umfassend in Berlin gezeigt werden kann, könne dann „inklusive der Werke der Sammlung Pietzsch und der Sammlung Marx dauerhaft präsentiert werden“.

Der Präsident der Stiftung wies zudem darauf hin, dass diese „Richtungsentscheidung“ auch beinhalte, die Gemäldegalerie der Alten Meister mit Werken von Dürer, Raffael und Rembrandt – bis auf Weiteres – am Kulturforum zu belassen. Dies bedeute „gleichzeitig eine riesige Chance für das Kulturforum“. Neubau und Gemäldegalerie könnten der brachliegenden Debatte über die Gestaltung des Orts wieder Leben einhauchen.

Die Verabschiedung vom alten Masterplan und der neue Beschluss kommen nicht aus heiterem Himmel. Nach Protesten gegen die geplante Abschiebung der Alten Meister vom Kulturforum und Kostenberechnungen in Höhe von 400 Millionen Euro für Umzug samt nötigem Neubau auf der Insel zogen die Stiftung und der Bund die Reißleine. Diese Planungen seien „nicht finanzierbar“, hieß es.

Diese finanziellen Schwierigkeiten haben letztendlich zum Sinneswandel der SPK mit beigetragen, wie Kulturexperten gestern bestätigten. Alternativen zum Raumkarussell – die Moderne Kunst wandert nach Auszug der Alten Meister in die freie Gemäldegalerie – wurden 2012 in Angriff genommen. Das Bundesamt für Bauwesen (BBR) untersuchte vier Kosten- und Standortvarianten am Kulturforum. „Der aktuelle Vorschlag ist von allen vier untersuchten Varianten die kostengünstigste Variante“, sagte Rita Ruoff-Breuer, Präsidentin des BBR, gestern.

Auch für Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bedeutet das neue Konzept eine positive „Weichenstellung“ für die Berliner Museumslandschaft. Vor allem sei die gut für die Neue Nationalgalerie, die ihre Werke des 20. Jahrhunderts bisher nicht in angemessener Weise präsentieren könne, so der Staatsminister. Neumann betonte, der Kurswechsel der Stiftung zeuge von Verantwortungsbewusstsein. Das Konzept sei eine gute Grundlage für die Entscheidungen im Stiftungsrat und dem Parlament. Über den Neubau beraten die Gremien auf ihren Sitzungen im Dezember 2013.

Für Sabine Bangert (Grüne), Mitglied im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, kommt die Umorientierung zu spät. Es sei ein Jahr vertan worden, nur um festzustellen, dass „in Zeiten knapper Kassen Wolkenkuckucksheime nicht mehr zu realisieren sind“, sagte Bangert zur taz. Nun müsse der Neubau umgehend realisiert werden, auch um den Standort Kulturforum „wieder attraktiver zu machen“.

Gesellschaft + Kultur SEITE 17