Der alltägliche Rassismus

Protest gegen Asylbewerberheim

VON INES KAPPERT

Schön ist das nicht, was in Hellersdorf dieser Tage passiert, aber mit Lichtenhagen sei die Situation wirklich nicht vergleichbar. Diese Einschätzung nicht weniger Kommentatoren ist faktisch richtig und trotzdem verdammt ärgerlich.

Sicher, heute weisen auch Konservative die Polizei an, Asylbewerberheime vor wild gewordenen Anwohnern und NPDlern zu schützen. Und sie sagen auch nicht mehr, wie CDU-Spitzenpolitiker Jürgen Rüttgers noch im Wahlkampf 2000, „Kinder statt Inder“. Sie sagen: „Man muss die Sorgen der Anwohner ernst nehmen.“ So Wolfgang Bosbach (CDU) angesichts der aktuellen Proteste. Verbal wurde in den letzten 13 Jahren abgerüstet.

Und sonst? Haben die Entscheidungsträger Konsequenzen gezogen aus dem Umstand, dass die „Sorgen“ der Anwohner und der NPD den Flüchtlingen das Leben einmal mehr zur Hölle machen? Quartieren sie sie in Wohnungen ein – und zwar in der Innenstadt, wo sie vergleichsweise sicher sind? Nein. Das würde ja Geld kosten. Die Mieten dort sind hoch.

Welche Bigotterie, sich in einem der reichsten Länder der Welt darüber erleichtert zu zeigen, dass sich Polizei und Konservative mit dem Alltagsrassismus arrangieren. Also auf keinen Fall nach einer menschenwürdigen Unterbringung für die lächerlich wenigen Flüchtlinge in Deutschland suchen, die Residenzpflicht aufheben und Arbeitsgenehmigungen erteilen. Das nämlich würde sie sofort Wähler kosten. Und solange man nicht wieder – wie in Lichtenhagen – die Weltöffentlichkeit erregt, hält man den Preis für den sich selbst attestierten Humanismus lieber so gering wie möglich. Ein liberaleres Auftreten hilft dabei. Das hat man inzwischen begriffen.