Hammerwerfers Thrill
: Im Reich der Superdoper

Kulturbeutel

ANDREAS RÜTTENAUER

Ein Serienkiller, dessen Tarnung das Leben eines Küchenvertreters im Mittleren Westen der USA ist, bringt in San Diego den Leiter eines biochemischen Laboratoriums um. Ein Eishockeyspieler wird von Schlägern aus der Halbwelt zum Sportinvaliden gemacht. Einem hoffnungsvollen Basketballspieler werden alle Finger gebrochen. Ein Ringer kann sich aus den Fängen tätowierter Profi-Brutalos befreien. Ein ehemaliger Funktionär aus dem Gesundheitswesen der DDR wird ermordet auf ein einem Schiff gefunden, das von London nach Rotterdam unterwegs ist. Ein deutscher Hochspringer rast mit seinem Auto in den Tod, und niemand kann sich diesen Suizid erklären – nicht einmal sein Trainingspartner und Lebensgefährte. Es geht blutig zu in Edwin Kleins Roman „Bitterer Sieg“, der 1992 erschienen ist. Darin geht es um die finstere Seite des Leistungssports, um Doping, korrupte Funktionäre und das große Geschäft, das auf dem Rücken der Sportler ausgetragen wird.

Der „Thriller“, als solcher wurde das Buch verkauft, war Kleins größter literarischer Erfolg. Der ehemalige Hammerwerfer, immerhin zweimal deutscher Meister in den 1970er Jahren hat noch mehrere Räubergeschichten aufgeschrieben, doch keine ist an die Verkaufszahlen seines Dopingromans herangekommen. Es ist ein Roman, in den Klein, der als Hammerwerfer wusste, wie man sich mit Koffein ganz nah an die damals gültigen Grenzwerte herandopt, all sein Wissen über die Pillen schluckenden Athleten hineingepackt hat. Ein Buch, mit dem sich durchaus belegen lässt, dass man schon lange bevor die in den vergangenen Wochen viel zitierte Studie der Berliner Humboldt-Universität öffentlich geworden ist, über Doping in Westdeutschland weit mehr wissen konnte als nichts. Insofern ist der Roman ein zeitgeschichtliches Dokument.

Klein lässt darin seine eigene Sichtweise auf die Leistungssportszene mehr als nur durchschimmern. Der Speerwerfer Sven Lucas, Protagonist der Geschichte, macht sich nach einem positiven Dopingtest, den er sich nicht erklären kann, auf die Suche nach den finsteren Machenschaften im deutschen Sportwesen. Und er macht sich seine Gedanken über das Bild, das von den Sportlern gezeichnet wird, wenn sie einmal erwischt worden sind. Dabei passt es Lucas/Klein so gar nicht, wie diese Athleten als schwarze Schafe bezeichnet und Säuen gleich durchs mediale Großdorf getrieben werden, während Raucher, Säufer und Konsumenten noch härterer Drogen als arme, unschuldige Suchtopfer regelrecht bemitleidet werden. Auch die Athleten seien süchtig. Süchtig nach Sport. Wer heute mit Klein telefoniert, merkt schnell, dass sich an seiner Sichtweise nichts geändert hat.

In seinem 500-Seiten-Schmöker voller Crime und leider auch Sex („Lass dich gehen, gib es mir, spieß mich auf, räche dich an mir“) ist es eine US-Vermarktungsagentur, die am liebsten den ganzen europäischen Sportmarkt aufkaufen würde. In Zusammenarbeit mit Funktionären, Sportärzten und Dopinglaboren versucht diese dafür zu sorgen, dass nur Athleten positiv getestet werden, die keinen Vertrag mit den Vermarktern abschließen wollen. Wer nicht mitspielt wird zum Doper gemacht, zusammengeschlagen oder eben ermordet, so wie der Laborleiter in San Diego, der einen Test entwickelt haben soll, mit dem Testosteron noch lange nach der Einnahme im Sportlerkörper nachgewiesen werden kann. Und wer steht hinter dem miesen Unternehmen? Ein noch mieseres natürlich: die Mafia, für die der Handel mit von Sportlern georderten Blutkonserven peruanischer Indios aus dem Hochland beinahe ebenso ertragreich ist wie der mit Heroin. Und am Ende bleibt der superböse Mr. Rebuso natürlich unangetastet – ganz im Gegensatz zum superfiesen Funktionär aus Deutschland, dem Leistungssportchef des Leichtathletikverbands, der an der Grenze mit einem Kofferraum voller Dopingmittel erwischt wird.

Gruselig wird der Leistungssport von Klein geschildert. Und dass vieles wirklich so war, wie er es darstellt, würde man vielleicht sogar glauben, wenn beim Lesen nicht ganz so viel Blut aus den Buchdeckeln fließen würde.