Zerstörung aus Fürsorge

GUARDIAN I Der britische Premier Cameron und sein Vize Clegg ordneten die Festplattenzerstörung an. Clegg wollte so angeblich das Blatt vor einem Prozess schützen

VON RALF SOTSCHECK

DUBLIN taz | Die Entscheidung, die britische Tageszeitung Guardian zur Vernichtung des Materials über die Spähaktion US-amerikanischer und britischer Geheimdienste aufzufordern, ist von Premierminister David Cameron und seinem Stellvertreter Nick Clegg gemeinsam getroffen worden. Zwei Festplatten wurden am 20. Juli unter Aufsicht von zwei Geheimdienstagenten im Keller des Guardian-Verlagsgebäudes zerstört. Die US-Regierung hat sich von der Aktion distanziert. Man könne sich schwer vorstellen, dass die Regierung in Washington die Zerstörung von Festplatten einer Zeitung verlangen würde, sagte ein Sprecher.

In einer Presseerklärung vom Mittwoch sagte der Sprecher des Liberalen-Chefs Clegg, die „nationale Sicherheit Großbritanniens wäre ernsthaft gefährdet“ worden, wäre das Material „in die falschen Hände“ geraten. Die Regierung schickte ihren höchsten Beamten, Kabinettssekretär Jeremy Heywood, zu den Verhandlungen mit dem Blatt. Clegg habe die Zerstörung der Festplatten einem Gerichtsprozess vorgezogen, sagte sein Sprecher: „Er wollte das Veröffentlichungsrecht der Zeitung schützen, aber auch die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit ergreifen.“

Der Labour-Abgeordnete Keith Vaz, Vorsitzender des Innenausschusses, sagte: „Bis jetzt hatte die Regierung ihr Interesse an dieser Sache heruntergespielt. Nun ist klar, dass sie nicht nur bei der Vernichtung der Informationen des Guardian aktiv geworden ist, sondern auch bei den Journalisten, die über den US-Whistleblower Edward Snowden geschrieben haben.“ Das erkläre, dass die Regierungen in London und Washington vorab über die Festnahme David Mirandas informiert waren. Der brasilianische Partner des Guardian-Journalisten Glenn Greenwald, der die Snowden-Papiere über die Spähaktionen von britischen und US-Geheimdiensten im Juni veröffentlicht hatte, war am Sonntag bei einem Zwischenstopp in London-Heathrow neun Stunden lang festgehalten und verhört worden. Vaz forderte von Cameron eine detaillierte Erklärung vor dem Parlament. Cleggs Sprecher sagte: „Wir verstehen die Besorgnis aufgrund der Ereignisse, insbesondere bei den Themen Pressefreiheit und bürgerliche Rechte.“ Deshalb untersuche der Ausschuss zur Antiterror-Gesetzgebung den Fall Miranda.

Der war auf Basis des Antiterrorgesetzes von 2000 festgehalten worden. Der frühere Oberrichter Lord Falconer hält das für gesetzwidrig. Zwar habe die Polizei das Recht, eine Person festzuhalten, aber sie müsse beurteilen, ob diese Person an Beauftragung, Vorbereitung oder Anstiftung von Terrorismus beteiligt sei. Das treffe auf Miranda eindeutig nicht zu, sagte Falconer.