Die EU als die FDP der arabischen Welt

ÄGYPTEN I Beim Sondertreffen der EU-Außenminister geht es vor allem um die eigene Marginalisierung. Wir haben keinen Einfluss, aber den nutzen wir, lautet die Marschroute von Guido Westerwelle

„Auch dieser begrenzte Einfluss muss genutzt werden“

GUIDO WESTERWELLE, AUSSENMINISTER

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Die Europäische Union will es sich mit Ägypten nicht verscherzen. Deshalb wird es trotz der Gewaltorgie des ägyptischen Militärregimes gegen die Muslimbrüder und andere „Islamisten“ vorerst keine Wirtschaftssanktionen geben. Dies beschlossen die EU-Außenminister auf einem Krisentreffen in Brüssel.

„Europa hat schnell entschieden und Handlungsstärke bewiesen“, freute sich Außenminister Guido Westerwelle. Künftig könne sich das ägyptische Militär bei „interner Repression“ nicht mehr auf Waffen aus der EU stützen. Die sofortige Aussetzung sei auf deutschen Druck zustande gekommen, streuten Berliner EU-Diplomaten.

Doch Wirtschaftssanktionen, die dem neuen Regime wehtun würden, sind nicht geplant. Zwar gehöre die gesamte Zusammenarbeit „auf den Prüfstand“, so Westerwelle. Entscheidend sei aber, den Einfluss der EU auf Ägypten zu sichern. „Der Einfluss der Europäer ist sicherlich begrenzt, aber auch dieser begrenzte Einfluss muss genutzt werden“, betonte er.

Dahinter steht die Sorge, dass Saudi-Arabien und andere erzkonservative Golfstaaten die Krise für ihre Zwecke nutzen und Ägypten von Europa isolieren könnten. Saudi-Arabien hatte am Montag angekündigt, für die Europäer einzuspringen, falls die EU-Staaten ihre Mittel kürzen sollten. Seither geht die Angst in Berlin und Brüssel um, dass Europa ausgerechnet im Schlüsselland des Arabischen Frühlings an den Rand gedrängt werden könnte.

Die EU hatte ihre Hilfe an Ägypten nach dem Sturz von Expräsident Husni Mubarak massiv ausgeweitet. Im November 2012 hatte sie ein langfristiges Hilfsprogramm über 5 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Es ergänzt die sogenannte Nachbarschaftshilfe, für die von 2007 bis 2013 rund 1 Milliarde Euro für Ägypten bestimmt war.

Allerdings sind alle EU-Hilfen an Bedingungen wie Demokratie und Rechtsstaat gebunden. Wegen der zunehmenden Gewalt wurden zuletzt kaum noch Gelder ausgezahlt. So flossen in diesem Jahr bisher nur 16 Millionen Euro nach Kairo. Auch der Handel, der 2012 mit 23,8 Mrd. Euro ein Rekordvolumen erreichte, ist rückläufig. Auch europäische Touristen dürften jetzt ausbleiben. Immerhin war es der EU-Außenvertreterin Catherine Ashton noch nach Beginn der jüngsten Krise gelungen, Expräsident Mohammed Mursi zu treffen und einen Vermittlungsversuch zu machen. Dies hatte die Hoffnung genährt, Europa könne eine Schlüsselrolle bei der Lösung der Krise in Ägypten spielen. Doch daraus wurde nichts.

Am Mittwoch überschlugen sich die Ereignisse – und ließen die EU alt aussehen. Noch während die Außenminister in Brüssel tagten, kam aus Kairo die Meldung, dass der frühere Machthaber Husni Mubarak aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Zudem wurde das Treffen von neuen Horrormeldungen aus Syrien überschattet. Bei einem Giftgasangriff sollen mehr als tausend Menschen gestorben sein.

Syrien und Mubarak – beides sind Reizthemen für die EU. Bei ihrem letzten regulären Treffen zu Syrien konnten sich die Außenminister nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, das europäische Waffenembargo fiel. Auch die Meinungen zu Mubarak gehen weit auseinander. Frankreich hatte den Expräsidenten noch 2008 zum Chef der Mittelmeerunion ernannt. 2011wurde er gestürzt.

Trotz der verworrenen Lage erklärte sich Ashton gestern bereit, erneut in Kairo zu vermitteln. Das Land brauche jetzt eine „Roadmap“, um zur Demokratie zu finden, sagte die Britin. Doch bisher gibt es nicht einmal einen Besuchstermin.