Neue Proteste in Weißrussland

Nach der umstrittenen Wahl werden Mitarbeiter des Oppositionsführers festgenommen

MINSK afp ■ Die Opposition in Weißrussland will sich nach dem umstrittenen Wahlsieg von Präsident Alexander Lukaschenko nicht geschlagen geben: Den zweiten Abend in Folge demonstrierten rund 4.000 Menschen am Montagabend auf dem Oktoberplatz in Minsk. Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch und 300 bis 400 seiner Anhänger trotzten Sicherheitskräften und eisiger Kälte, bauten Zelte auf und harrten bis Dienstagmorgen auf dem Platz aus. Die Polizei nahm vier Mitglieder von Milinkewitschs Führungsstab sowie rund 30 Demonstranten fest.

„Wir sagen Nein zu Diktatur und Lügen“, rief Milinkewitsch der Menge zu, die mit „Freiheit“-Sprechchören antwortete und „Lang lebe Weißrussland“ rief. Zu den Perspektiven der Proteste sagte der Oppositionsführer auf Anfrage: „Ich weiß nicht, wie lange es weitergeht oder weitergehen sollte. Das Wichtigste ist internationaler Druck vonseiten der USA, Europas und Russlands.“ Der Kandidat der Vereinigten demokratischen Kräfte fordert Neuwahlen und hofft auf eine Protestbewegung in Weißrussland nach dem Vorbild der orangenen Revolution im Nachbarland Ukraine.

Eine Gruppe von Demonstranten errichtete Zelte auf dem Oktoberplatz. Die Sicherheitskräfte griffen nicht ein. Einer der Demonstrationsorganisatoren rief die Anwesenden auf, warme Kleidung und Getränke herbeizuschaffen. „Es werden noch mehr Zelte werden. Die Leute kommen aus dem Umland, sie haben gesehen, dass Weißrussland aufwacht“, sagte Denis Denissow von den Jungen Demokraten, der Jugendbewegung der liberalen Bürgerpartei. „Lukaschenko wartet darauf, dass wir müde werden, aber wir werden nicht nachgeben.“ Dutzende Sicherheitskräfte in Zivil bewachten den Platz.

Eine enge Mitarbeiterin von Milinkewitsch wurde kurz nach ihrer Festnahme beim Verlassen des Oktoberplatzes nach eigenen Angaben wieder freigelassen. Der Aufenthaltsort ihrer drei Mitstreiter, unter ihnen der bekannte Oppositionelle Anatoli Lebedko, war zunächst unklar. Dieser war bereits am 15. März vorübergehend festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Wegen der Organisation der Demonstrationen leiteten die weißrussischen Behörden Ermittlungen wegen „Terrorismus“ ein.

Die EU und die USA erwägen die Ausweitung ihrer Sanktionen gegen Weißrussland wegen der Wahl. Die EU ist laut Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bereit, restriktivere und „gezielte“ Maßnahmen gegen die Führung in Minsk zu ergreifen. Möglich seien schärfere Einreiseverbote. Die USA bereiteten „ernsthafte und angemessene Maßnahmen“ gegen jene Politiker vor, die für den Wahlbetrug und die Menschenrechtsverstöße verantwortlich seien, sagte Außenamtssprecher Sean McCormack. Der Europarat forderte eine geschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft. Lukaschenko war laut Wahlkommission am Sonntag mit 82,6 Prozent im Amt bestätigt worden. Herausforderer Milinkewitsch kam nur auf 6 Prozent.

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