Leiche verpackt, Rente kassiert

VOR GERICHT Wenn ein Mann seine tote Mutter versteckt, hat er sie vermutlich ermordet – oder doch nicht? Die Anklage gegen Marian D. beruht auf der Aussage einer Freundin, die um ihr eigenes Leben fürchtete

Ein Aushang brachte sie zusammen: „Verschenke Fernseher“. Die kleine, strubbelhaarige Petra K. hängte ihn im Dezember 2012 im Supermarkt auf, der große, kahlköpfige Marian D. meldete sich. Es war der Beginn einer Bekanntschaft, die in eine Mordanklage mündete: D. soll seine 76-jährige Mutter erstickt haben aus Habgier, um die Rente weiter zu kassieren, so die Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf basiert auf den Angaben von Petra K. Heute wird das Urteil verkündet.

Kurze Zeit nach dem Kennenlernen hatte K. den 39-Jährigen gebeten, seine Lebensgeschichte zu erzählen – die arbeitslose Autorin suchte einen Stoff. Doch das Gehörte wirkte auf sie mehr verstörend als inspirierend. Man habe über das Thema Krebs gesprochen, erinnerte sich Petra K. vor Gericht. D. habe ihr vom Leiden seiner Mutter berichtet und zu verstehen gegeben, dass er es nicht mehr ertragen habe. „Er machte eine Geste, als würde er ihr ein Kissen auf das Gesicht drücken“, so K. „Mutter wollte das so“, habe D. gesagt. „Ich fragte, ob er sie plattgemacht habe, er sagte: ,Ich würde ihr nie etwas tun.‘ “

Trotzdem arbeitete es in Petra K. nach diesem Gespräch – „ein emotionaler Mühlstein“ habe ihr am Hals gehangen. Als Marian D. die vierzehn Jahre Ältere auch noch „Mutti“ zu nennen begann, fürchtete sie um ihr Leben und ging zur Polizei. Die fand in einem Wohnwagen den in Leichensäcke, Folien und einen Teppich gewickelten Körper der Mutter, die seit 21 Monaten tot war.

Marian D. wurde verhaftet. Er gestand, die Rente der Mutter – insgesamt 43.500 Euro – weiter kassiert und in ihrem Namen diverse Schreiben unterzeichnet zu haben. Einen Mord jedoch bestreitet er vehement. Er habe seine Mutter geliebt. Da sie unter Epilepsie litt, habe er ihr bei ihren Anfällen einen Holzlöffel zwischen die Zähne geklemmt, sie festgehalten und über ihren Schlaf gewacht. In den letzten Jahren sei sie bei keinem Arzt und auch nicht mehr krankenversichert gewesen.

Auch in der Nacht vor ihrem Tod habe die Mutter einen Anfall gehabt, so D., sich aber scheinbar wieder erholt, als er zu einem Termin aufbrach. Bei seiner Rückkehr habe sie tot im Bett gelegen. Er habe sich nicht zu helfen gewusst, so der Angeklagte: Wie sollte er die laufenden Kredite für ein Auto, Tierarztrechnungen und diverse Möbel ohne die Rente der Mutter begleichen? Also verheimlichte er ihren Tod. Die Leichensäcke orderte er über Ebay. Gegenüber Petra K. habe er das Ganze aufgebauscht – sie habe ja ein Drama hören wollen.

Keine Verletzungen

Eine Rechtsmedizinerin stützte D.s Angaben: Bei der Untersuchung der Leiche habe man keine Verletzungen festgestellt, auch keine für Ersticken typischen Einblutungen an Schleimhäuten. Zwar könne man eine solche Todesart wegen der fortgeschrittenen Fäulnis nicht sicher ausschließen, Anhaltspunkte habe man jedoch keine. Auch die Angaben zu den Todesumständen seiner Mutter hält die Gutachterin für glaubwürdig.

Als weniger belastbar dagegen erwies sich die Zeugin der Anklage – die psychisch fragile K. musste Baldrian nehmen, um nicht völlig im Schwall ihrer Ängste und Überlegungen zu ertrinken. Immer wieder bat die Richterin, K. möge sich beruhigen und vor allem nicht den Angeklagten beschimpfen. Folgerichtig fragte die Verteidigerin, ob sie sich in ärztlicher Behandlung befinde. „Ja, beim Gynäkologen“, so K. „Ich meine, in psychiatrischer Behandlung?“ – „Nee, und Sie?“, konterte die Zeugin zur Erheiterung der Zuhörer. Nur der Staatsanwältin war das Lachen vergangen. UTA EISENHARDT