Die UNO ist lahmgelegt, ihre Experten können nicht vor Ort prüfen

DIPLOMATIE Der Weltsicherheitsrat einigt sich auf eine laue Erklärung. China und Russland verhindern schärfere Worte gegen Syriens Regierung

UNO-Sicherheitsrat: Unter Mitgliedern des Rats herrscht „große Besorgnis über die Vorwürfe eines C-Waffen-Einsatzes“. Man sei „gemeinsam der Ansicht, dass die Ereignisse aufgeklärt werden müssen“

GENF taz | Haben Syriens Regierungsstreitkräfte am Mittwoch tatsächlich Chemiewaffen gegen die Rebellenhochburgen an den östlichen Randbezirken Damaskus eingesetzt – und wenn ja, welche? Nur eine „schnelle, umfassende und unabhängige Untersuchung durch die UNO“ kann nach Ansicht vieler Beobachter Antwort auf diese Frage geben. Doch dazu wird es sehr wahrscheinlich nicht kommen.

Denn die Forderung nach einer entsprechenden Untersuchung ist in der Nacht zum Donnerstag im UN-Sicherheitsrat gescheitert. Russland und China sperrten sich. Ein Team von C-Waffen-Experten der UNO befindet sich zwar seit Sonntag in Syrien, aber die Regierung von Präsident Baschar al-Assad ist bislang nicht bereit, ihm Zugang zu den am Mittwoch bombardierten Rebellenhochburgen zu gewähren.

Nach der Sitzung des Sicherheitsrats verlas seine amtierende Ratspräsidentin, Argentiniens Botschafterin María Cristina Perceval, nur eine kurze Erklärung. Danach herrscht „unter Mitgliedern des Rats große Besorgnis über die Vorwürfe eines C-Waffen-Einsatzes“. Man sei „gemeinsam der Ansicht, dass die Ereignisse aufgeklärt werden müssen“.

Die USA hatten den anderen 14 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats vor der Sitzung eine sehr viel weitergehende Vorlage für einen förmlichen Beschluss unterbreitet. Darin heißt es: „Die Ratsmitglieder unterstreichen die Notwendigkeit einer völlig unabhängigen und neutralen Untersuchung sämtlicher Vorwürfe des Einsatzes chemischer Waffen in Syrien. Daher fordert der Rat den Generalsekretär dringend auf, alle notwendigen Schritte zu ergreifen, damit die heutige Attacke von den C-Waffen-Experten der UNO untersucht wird, die sich gegenwärtig in Syrien aufhalten.“

Der Sicherheitsrat fordere zudem alle Konfliktparteien auf, „dem UN-Expertenteam sicheren, vollständigen und ungehinderten Zugang zu gewähren und all seine Forderungen nach Informationen und Beweismaterialien zu erfüllen.“

Russland und China haben ein Vetorecht im Weltsicherheitsrat. Beide lehnten die US-Vorlage ab – und damit blieb als kleinster gemeinsamer Nenner nur die Erklärung der Ratspräsidentin.

Der Chef des derzeit in Syrien befindlichen UNO-Expertenteams, der Schwede Åke Sellström, ist willens, die jüngsten Vorwürfe zu untersuchen. Nach Angaben des stellvertretenden UN-Generalsekretärs Jan Eliasson hatte Sellström bereits mit der syrischen Regierung darüber gesprochen. „Doch derzeit lässt die Sicherheitslage einen Zugang der Experten zu den bombardierten Orten nicht zu“, erklärte Eliasson.

Zuvor hatte Syriens Informationsminister Omran al-Soabi im arabischsprachigen Programm des Senders Russia Today erklärt, die UNO-Kontrolleure könnten nicht einfach spontan den Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija inspizieren. Dafür bedürfe es vorab einer „Vereinbarung mit der Regierung“.

Wie schwierig es ist, die Zustimmung der Behörden zu erhalten, wissen die UNO-Inspektoren nur zu genau: Die UNO hatte über fünf Monate lang mit der Regierung Assad verhandeln müssen, bevor sie ins Land gelassen wurden. Sie dürfen nur drei der 13 Orte inspizieren, an denen zwischen Herbst 2012 und April dieses Jahres mutmaßlich Chemiewaffen durch Regierungsstreitkräfte oder durch Rebellengruppen eingesetzt wurden.

Sie können sich nicht frei bewegen und dürfen ZeugInnen nur in Anwesenheit syrischer Offizieller befragen. Womöglich sind überdies die Spuren von etwaigen Giftgaseinsätzen im Winter und Frühjahr nicht mehr nachweisbar, weil schon zu viel Zeit vergangen ist.

ANDREAS ZUMACH