Wir werden weniger und älter

Bremen muss sich auf die demographische Entwicklung einstellen, und das heißt: Schrumpfen. Sagt die Grüne Karin Krusche. Der CDU-Politiker Focke lobte stattdessen die Wachstums-Investitionen

von Klaus Wolschner

Der „Methusalem-Komplex“ hat Bremen erreicht: In einem dicken Papier wälzt der Senat die Fragen, die sich vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung stellen. „Ich will jetzt nicht mit dem Kinderkriegen anfangen“, bekannte der CDU-Politiker Dieter Focke gestern bei der Debatte darüber in der Bürgerschaft – und hatte die Lacher auf seiner Seite. Focke gab sich unbeeindruckt. Die Politik müsse alles dafür tun, „dass es sich in diesem Land wieder lohnt, Kinder zu bekommen“, fuhr er fort.

Dann dürfe man eben nicht die Kita-Gebühren erhöhen, konterte die Grüne Karin Krusche. Das hatten SPD und CDU gerade am Dienstag beschlossen. Kinder aufzuziehen müsse mit beruflichem Engagement vereinbar sein und dürfe kein „Armutsrisiko“ darstellen, so Krusche. Mit höheren Kita-Gebühren jedenfalls „werden Sie die Lust am Kinderkriegen nicht steigern“.

Die nackten Prognosezahlen hat der Senat zusammengetragen: Die Einwohnerzahl im Land Bremen droht demnach von 663.000 (2004) auf 648.000 im Jahre 2020 zu schrumpfen, diese Bevölkerungsverluste werden aber vor allem in Bremerhaven angenommen. Durch die erheblichen Infrastruktur-Investitionen mit Sanierungsmitteln sei der Bevölkerungsschwund in der Stadt Bremen gestoppt worden – und die Statistiker schreiben aktuelle Trends schlicht fort. Der Bevölkerungsrückgang wird demnach bei den 30 bis 50-Jährigen doppelt so stark ausfallen wie bei den Älteren. Dieser Alterungsprozess betrifft insbesondere die deutschstämmige Bevölkerung – der Anteil von Einwanderern und Kindern mit Migrationshintergrund wird deutlich zunehmen.

Das hat Auswirkungen auf das schulische Angebot, auf die Krankenhausplanung, auf Freizeitangebote. Eigentlich kann kein Bereich kommunaler Vorsorge die Augen davor verschließen. Auf die Hochschulen wird in den nächsten Jahren ein großer Ansturm erwartet – erst in Niedersachsen und dann in Bremen kommen wegen der Schulzeitverkürzung zwei Jahrgänge in einem Jahr zum Abitur. Danach wird die Zahl der Studierenden allerdings rapide zurückgehen – und es wird großen Bedarf für berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung geben.

Noch stärker ins Gewicht fallen wird angesichts der demographischen Entwicklung, dass ausländische Kinder unter den Schulversagern einen hohen Anteil haben. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird bis 2020 um ein Drittel zunehmen. Ältere Menschen sind häufiger Verursacher von Verkehrsunfällen, gab die Polizei für den Demographiebericht zu bedenken. Als Sackgasse entpuppt sich laut dem Bericht die derzeitige Politik, ältere Arbeitskräfte in Vorruhestand zu schicken: Erheblicher Fachkräftemangel droht in 20 Jahren, Unternehmen und Institutionen müssen Modelle entwickeln, das „Erfahrungswissen“ der Älteren zu binden.

Während der CDU-Politiker Focke die Wachstums-Strategie dafür lobte, dass die Bevölkerungsprognosen derzeit für die Stadt Bremen wenigstens Stagnation voraussagen, mahnte Krusche ein Umdenken an: Auch Bremen müsse sich auf Schrumpfen einrichten.