Geh’n ma Selbstmord machen am Fluss

Kuckensema im Bremer Kino City: In „Donauleichen“ überschreitet Peter Kern lustvoll Ekelgrenzen

Auf den Wiener Brücken kann es zu Staus kommen, denn die Österreicher sind so in den Tod verliebt, dass sich gleich mehrere Lebensmüde gleichzeitig in der Donau ertränken wollen. In Peter Kerns Spielfilm beginnt so die Freundschaft zwischen Basti und Claudia. Aber interessant (würde Wolf Haas, ein anderer großer Morbider aus Österreich sagen): die Brücke, auf der die beiden sich gegenseitig beim Springen behindern, sieht der Bremer Stephaniebrücke verteufelt ähnlich. Könnte nun ein Norddeutscher dort seinen Film ebenso beginnen lassen? Das wäre dann allerdings wirklich originell, denn von einem Wiener erwartet man ja fast schon solch eine böse Pointe. Und auch das Herumwühlen in Blut und Kot, das lustvolle Überschreiten der Ekelgrenzen, das kompromisslose Ausstellen der Hässlichkeiten der Welt hat man so schon bei vielen seiner Landleute, bei Filmemachern, Aktionskünstlern und Theaterregisseuren gesehen. Er schwimmt hier also wie ein Fisch im Wasser, oder sagen wir lieber in den Flüssigkeiten, seiner kulturellen Traditionen.

Die vorerst verhinderten „Donauleichen“ Basti und Claudia beginnen also eine Beziehung, die nicht nur durch ihre Todessehnsucht, sondern auch dadurch kompliziert wird, dass beide homosexuell sind. In Rückblenden sieht man, wie sie beide in ihrer Kindheit missbraucht wurden, und besonders eindrucksvoll sind Kern da die Szenen aus Bastis Horrorfamilie gelungen. Der Stiefvater ist Schlachter und tunkt schon mal den Kopf des Jungen in einen Trog mit frisch ausgelaufenem Blut. Ein sensibler Zuschauer wird nach einer anderen Küchenszene sobald wohl keine Blutwurst mehr essen, und auch der zumindest angedrohte Luftröhrenschnitt ist so inszeniert, dass man fasziniert zuschauen muss. Und doch kann man Kern nicht vorwerfen, dass er hier nur spekulativ provozieren will. Wenn da die Flecken in der gebrauchten Unterhose so groß ins Bild kommen, dass man diese fast schon zu riechen glaubt, dann wird dadurch auch klar, dass Basti den Gestank als Schutz gegen Männer einsetzt, die sich an ihm vergehen wollen. Er und Claudia sind die geborenen Verlierer und werden von Christian Blümel und Marie Miklau so glaubwürdig und intensiv verkörpert, dass sie auf der Leinwand ganz erstaunlich lebendig werden.

Kern, der das Filmemachen als Schauspieler bei Rainer Werner Fassbinder und Christoph Schlingensief lernte, macht ein rigoros subjektives Kino, und weil er keinerlei Rücksicht auf Redakteure oder Fördergremien nehmen will, produziert er seine Filme so billig wie nur möglich. Von wenigen Außenaufnahmen abgesehen wurden alle Szenen in einem alten Lagerhaus gedreht, deren Räume von zwei Studenten der Wiener Kunstakademie ganz wunderbar mit Fundstücken von Flohmärkten ausgestattet wurden. Auch sonst fällt auf, wie liebevoll und ästhetisch Kern seinen Film inszeniert hat. Je hässlicher der Inhalt, desto schöner die Form. Seine beiden Helden singen sogar einige Schlüsselszenen, wobei die Texte zu den kitschigen Schlagermelodien dann allerdings wieder voller monströser Widerhaken sind.

Natürlich hat solch ein Film auch keinen richtigen Verleih, und so tingelt Peter Kerns selbst mit seinem Werk durch die deutschen Programmkinos, wo er mit viel Schmäh sein Publikum bezirzt. Während der Film läuft, sitzt er dann draußen und passt auf, wie viele Zuschauer während der Vorführung den Saal verlassen. In Leipzig habe die Mutter des Hauptdarstellers kotzen müssen, der Vater war dagegen begeistert - solche Geschichten erzählt er gerne. In Bremen war er dagegen am letzten Donnerstag sichtlich enttäuscht, denn nur eine Dame ging vorher empört hinaus. Wilfried Hippen