„Es ist viel zu früh“

And don’t mention the Börsengang: Deutschlands größter Medienkonzern Bertelsmann druckt gute Zahlen und drückt sich vor wichtigen Fragen

Wir haben die Strategie, wir haben die Ideen, und wir haben das Geld dazu

aus Berlin STEFFEN GRIMBERG

Medienkonzerne sind Kommunikationsunternehmen. Branchenprimus Bertelsmann gefällt sich hier gern als Musterbeispiel an Transparenz. Schließlich ist der einzige große internationale Medienkonzern Deutschlands als Aktiengesellschaft organisiert. Und lässt sich – obwohl gar nicht börsennotiert – daher freiwillig viel mehr in die Karten schauen als andere Medienunternehmen, die keine AG sind. Doch gestern blieb Bertelsmann-Vorstandschef Gunter Thielen auffallend stumm.

Natürlich wurde bei der Bilanz-Präsentation schon viel geredet: Die Zahlen sind nämlich gut. Die Umsätze wachsen – auf 17,9 Milliarden Euro. Der Konzerngewinn liegt wieder gut über 1 Milliarde Euro. Thielen könnte sogar bis zu seiner Pensionierung 2008 die lang ersehnten 10 Prozent Umsatzrendite schaffen, dieses Jahr waren es schon 9. „Wir haben die Strategie, wir haben die Ideen, und wir haben das Geld dazu“, sagte Thielen. Doch das interessierte eigentlich kaum.

Zur Gretchenfrage aber gab es – nichts. Dabei kann Bertelsmann schon im kommenden Jahr von seinem Minderheitsaktionär, dem belgischen Baron Albert Frère und seiner Holding Groupe Bruxelles Lambert (GBL), an die Börse gezwungen werden (taz von Montag). „Wir wissen auch nicht mehr, es gibt derzeit keine Gespräche mit GBL“, sagte ein zugeknöpfter Thielen. Und sosehr die versammelte Journaille nachbohrte – es blieb dabei: „Heute ist es noch zu früh“, sprach der Vorstandschef, und ob man nicht lieber über den Einstieg des französischen Bertelsmann-Senders M 6 ins Mobiltelefon-Geschäft berichten wollte. – Wollte man nicht.

Nächster Anlauf: Frère, der 25,1 Prozent der Anteile hält, kann ab Mai die Vorbereitung des Börsengangs verlangen – wie sich Bertelsmann denn darauf vorbereite? – Es sei zu früh, wiederholte Thielen, und übrigens gebe es noch die interessante Geschichte in Großbritannien, wo Bertelsmann seit Herbst 2005 einen Teil der Lokalverwaltung des Kreises East Riding abwickelt.

Auch hier regte sich kein Interesse, dafür ein dritter Versuch: Was macht der Vorstand denn mit Blick auf GBL? – „Wir haben dafür zu sorgen, dass dem Unternehmen nichts Böses widerfährt, und dafür stehen wir.“ Der Rest sei Sache der Aktionäre, will sagen: der Eignerfamilie Mohn, die direkt und über die Bertelsmann-Stiftung 75 Prozent der AG-Anteile kontrollieren. Und, das sagte Thielen allerdings nicht, einen Börsengang eigentlich immer ausschließen wollten. Obwohl Liz Mohn an der Spitze des Clans auch bei einem Börsengang weiterhin mit Dreiviertelmehrheit das Imperium aus RTL-Sendergruppe, dem Zeitschriften-Großverlag Gruner + Jahr (Brigitte, Stern, Geo), der Buchverlagsholding Random House, Druckereien, Logistikunternehmen und Buchclubs kontrolliert. Gegen diese Medienmacht ist selbst Springer ein Zwerg.

Nun durchpflügt derzeit die Beratungsfirma Boston Consulting den Konzern, um bei der Konzentration aufs Kerngeschäft zu helfen. Aber auch das, so der neue Finanzvorstand Thomas Rabe, diene keinesfalls dazu, den Verkauf von Bertelsmann-Töchtern vorzubereiten, vom Erlös die Anteile des belgischen Barons zurückzukaufen und so den Börsengang zu verhindern.

Mancher hoffte da wenigstens noch auf eine News zur Frage, wer Thielen denn in gut zwei Jahren beerbt. Doch auch da blieb’s so jovial wie unbestimmt. Der Nachfolger, das war schon 2005 klar, kommt aus dem Haus. Version 2006: „Es wird einer der Kollegen hier auf der Theke sein“, sinnierte Thielen gestern und blickte ins Vorstände-Rund.