Von Bremen schwimmen lernen

In Hamburg übernehmen jetzt Bademeister den Schulschwimmunterricht, allerdings mit schlechterer Betreuungsrelation. Bremen hat das Modell vorgelebt und „unterschiedliche Erfahrungen“ gemacht

Bäderland habe „rationellere Methoden“, sagt der Bäderland-Chef

von KAIJA KUTTER

Als Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) der Stadt vor zwei Jahren ein 150-Millionen-Euro-Sparprogramm aufdrückte, schien auch das Schulschwimmen ein überflüssiger Luxus. Der Etat wurde um 80 Prozent auf 0,6 Millionen Euro gekürzt. Doch eine Stadt am Wasser, so musste auch die damals frisch aus Berlin angereiste Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) erkennen, kann sich das nicht leisten. Die Schlagzeile „Kind ertrinkt, weil Senatorin sparte“ wäre fatal.

Seither versucht die Behörde händeringend, mit dem spärlichen Etatrest den immerhin bis zu 15.000 Grundschülern pro Jahrgang die lebensrettende Sportart beizubringen. Zunächst wurde die Schwimmfähigkeit aller Zweitklässler bei den Eltern befragt. Als klar wurde, dass 70 Prozent noch nicht das „Jugendschwimmabzeichen Bronze“, den früheren Freischwimmer, hatten, ersann man in der Schulbehörde ein abenteuerliches Modell: Die 4.000 Schwimmerkinder sollten nur noch gegen 36 Euro Bares ins Wasser dürfen. Die 10.000 Nichtschwimmer hätten bis zum Erreichen ihres Abzeichens ein halbes Jahr gratis schwimmen dürfen. Allerdings sollten 6.000 von ihnen dies in den zehn schulischen „Lehrbecken“ mit nur 70 bis 120 Zentimetern Tiefe tun. Dinges-Dierigs Idee wäre logistisch kaum umsetzbar gewesen und hätte zudem die Schließung zweier öffentlicher Bäder zur Folge gehabt, weil die städtische „Bäderland“ auf 1,5 Millionen Euro Schülereintrittsgeld verzichten müsste.

Die Senatorin ging mit ihrem Plan baden. Nach einer Expertenanhörung im April 2005 war selbst ihre CDU dagegen, warnte doch die DLRG, dass in den Minibecken die Schwimmfähigkeit nicht erlangt werden könne, für die ein Kind auch springen oder tief tauchen können muss. Doch nach dem Bericht eines Bremer Experten wurde ein neuer Plan ersonnen: Dort übernahm gerade die städtische Bädergesellschaft den Schwimmunterricht, und die Stadt sparte damit 25 Prozent der Kosten. Nach zähen Verhandlungen erklärte sich im Mai schließlich auch die Hamburger Bäderland bereit, dem Bremer Beispiel zu folgen und für die dritten, vierten und sechsten Klassen kostenlosen Unterricht durchzuführen.

Ein kleines Rästel gab der Deal aber auf: Bäderland sollte ihre 1,5 Millionen Euro erhalten, versprach aber, für das einstige Eintrittsgeld künftig auch noch Schwimmlehrer zu stellen. Man habe eben „rationellere Methoden“ und könne „bis zu 50 Schüler gleichzeitig bei zwei Schwimmlehrern“ unterrichten, erklärte Bäderland-Chef Klauspeter Schelm seinerzeit der taz. Seither wollte sich Bäderland zum Betreuungschlüssel nicht mehr äußern.

Seit Anfang dieser Woche ist das Geheimnis gelüftet. Nicht bloß zwei, sondern immerhin drei Schwimmmeister oder sonstige dazu „befähigte Personen“ sollen eine Doppelklasse betreuen, also für 50 bis 60 Kinder – eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Schulschwimmunterricht, bei dem in der Regel vier Lehrer im Bad waren. Doch die Bildungsbehörde schreibt in einer offiziellen Drucksache von einer „Erhöhung der Anzahl der Lehrkräfte“, habe es doch bislang nur „eine Lehrkraft pro Klasse“ gegeben. Klaus Wendtland vom Hamburger Schulleiterverband sagt, das sei „wissentlich falsch“, erlaubten doch die Sicherheitsvorschriften keine Einzelbesetzung.

Unterdessen macht Vorreiter Bremen mit dem BademeisterModell und dem Drei-zu-zwei-Schlüssel „unterschiedliche Erfahrungen“, so Hajo Kuckero vom Personalrat Schulen: „Es gibt Schulen, die sagen, es klappt toll. Und es gibt welche, die sagen, es ist eine Kathastrophe.“ Bademeister seien eben keine Pädagogen und nicht gewohnt, mit ganzen Klassenstärken umzugehen. Sie würden die Kinder nicht kennen und nichts über deren Befinden wissen. Zudem gab es von der Bremer Schulbehörde die Vorgabe, den Anteil der Kinder mit „Seepferdchen“-Abzeichen für die „erste Schwimmfähigkeit“ zu erhöhen, was tatsächlich zu einer Steigerung von 79 auf 86 Prozent führte. „Ich höre von Kollegen, dass es Kinder gibt, die einiges noch nicht können“, berichtet Kuckero. „Die Schwimmabzeichen werden trotzdem vergeben.“ Hamburg hat in puncto „Seepferdchen“ noch höhere Ziele. Bis nach Klasse vier sollen 95 Prozent, nach Klasse sechs sogar 100 Prozent diese „schwimmvorbereitende Prüfung“ abgelegt haben.