Berliner Platten
: So klingt Berlin: Bei Tommy Simatupang hört man den Pop ohne festen Wohnsitz und reichlich musikalische Kiezigkeit mit Heiko Werning

Heiko Werning „Was die Leute sagen“ (Retiphon) Konzert 29. 3., Grüner Salon

Und hier mal etwas aus dem künstlerischen Nachbarschafts-Programm. Ja, so klingt Berlin. Weil in Berlin halt genügend Menschen gestrandet sind, die die Traute haben, einfach auch mal ihr Ding durchzuziehen. Bei Tommy Simatupang, der Name verweist auf seine indonesische Herkunft, ist das dann so ein Pop ohne festen Wohnsitz. Jedenfalls ist keine genau zu verortende Adresse herauszuhören. Pop, wie er überall gemacht werden kann, wenn man ein paar Freunde zum Mithelfen hat, und den größten Anteil bei seinem Album „Blame it on your Monkey“ hat Tommy Simatupang gleich selbst eingespielt. Singer-Songwriter-Sachen, deren Grundmaterial von Bob Dylan, Leonard Cohen und diesen ganzen Gewährsmännern schon so lange in den Gitarrenkoffern herumgetragen wurde, dass dieses Metier längst zeitlos ist, wobei Simatupang seinen Lieder noch einen deutlichen Willen zur glamourösen Geste gönnt. Ein leicht theatralischer Augenaufschlag. Was den Liedern gut tut. Großstadtfolk. Manchmal derart windschief gezimmert, dass einem das Herz berührt. Wimmernde Bottleneck-Gitarren, fröhlich eiernder Walzer und scheppernder Rock-’n’-Roll. All that pop. Und mittenrein hat Tommy Simatupang mit seinem „Girl of Shanghai“ auch noch eine einzelne musikalische Chinavase gestellt. Bitte, support your local artist. Unterstütze den Musiker von nebenan! Er hat es verdient, und für dich lohnt es sich auch. Vorhören oder gleich kaufen bei www.ilovetommy.net.

Und wenn man mal den gesellschaftlichen Riemen etwas enger schnallt: Reichlich Kiezigkeit bekommt man bei Heiko Werning, umtriebiger Akteur in der hiesigen Kleinkunstszene, der gerade mit „Was die Leute sagen“ sein zweites Album vorgelegt hat. Eine Art Lesebühnen-Rock-’n’-Roll, könnte man dazu sagen. Dabei geht Werning seine Lieder vor allem literarisch an und verpackt lieber mal ein paar Worte mehr in den Zeilen und immer noch einen kleinen Scherz dazu. Den Lacher für den Weg.

Tommy Simatupang „Blame it on your Monkey“

Vielleicht liegt es dabei an dem mit prominenten Gästen wie Danny Dziuk, Ekki Busch und Manfred Maurenbrecher professionell ausgespielten Allerweltscountrypop, dass plötzlich diese alte Frage als Fratze vor einem steht: Ob denn tatsächlich das Anekdotische, das kursbuchhafte Benennen von Sachverhalten in den Texten überhaupt das erreichen kann, was es will – nämlich die Wirklichkeit da draußen auch wahrhaftig in einem Song widerzuspiegeln? Oder ist es nicht eher so, dass man mit der scheinbar präzise nachgebauten Wirklichkeit genau an der Wirklichkeit scheitert? In einem Lied. Wenn also in so einer Bettkantensituation von Werning mit Angabe der präzisen Uhrzeit (morgens 6.14 Uhr) die Freundin angefleht wird, „Geh nicht nach Stuttgart“, nur eines schnöden Jobs wegen, dann hört man überhaupt nichts von der existenziellen Not, die in solcher Situation doch wohnt. Man hört nur einen geselligen Schenkelklopfer. „Stuttgart“: kicher, prust. Wahrscheinlich ein Grundproblem im Kleinkunstrahmen. Am Mittwoch präsentiert Heiko Werning „Was die Leute sagen“ mit Gästen im Grünen Salon. THOMAS MAUCH