krieg der elster, dem skinhead der lüfte! von WIGLAF DROSTE:
Heisere, kaputtstimmige Schreie zerreißen die morgendliche Stille. Unfreiwillig erwacht der Schläfer, von hässlichem Geräusch roh geweckt. Draußen, im Hinterhofbaum, zetert eklig die Elster, und auch vorn, von der Straße her, kreischt die schwarz-weiße Pest. Es ist Elsteralarm. Elster ist widerlich, Elster ist überall.
Wie das Auge der Lump unter den Sinnesorganen ist, oberflächlich, bestechlich und flüchtig, so ist die Elster die SA der Vogelwelt. Allein auf Dummheit und Brutalität setzt die Elster, mehr hat sie nicht zu bieten. Die Elster ist der Skinhead unter den Vögeln. Ihr einziges Ziel ist Monokultur, das Umbringen und Vertreiben von allem, was nicht Elster ist. Schwarz-weiß ist die Elster – wie ein Springerstiefel, in den ein weißer Schnürsenkel eingezogen wird, um die miesestmögliche aller Gesinnung zu zeigen, das Nazigebrüll von der weißen Herrenrasse. Exakt solch ein Drecksvogel ist die Elster.
Auf die Blumen am Balkon wirft sich die Elster, zerhackt sie mit scharfem Schnabel. Ihr Hass gilt allem anderem, allem Schönem. Die zarte Blaumeise greift sie an und all die zaubrisch tirilierenden Sängerinnen und Sänger der Vogelwelt. Elster kann nur krächzen, also soll niemand singen dürfen. Todesschwadronen schickt die Elster aus, die Nester anderer, anmutiger Vögel zu zerstören, die Gelege zu vernichten und die Jungvögel abzuschlachten. Und kein UN-Blauhelmeinsatz rettet die Opfer der Elster. Der Rest der Welt sieht feige und gleichgültig zu und behauptet routiniert, ihm seien die Hände gebunden. Auch unsere Turmfalken sind matt und heuchlerisch geworden, gebieten der Elster nicht Einhalt. Das Bewohnen von Kirchen hat ihnen den Charakter genommen.
Erdrückend aber ist die Beweislast gegen die Elster. Elster hört Böhse Onkelz und singt entsprechend, Elster liest Junge Freiheit und spricht auch so. Elster zetert ständig, das Volk der Elstern stürbe aus. Das ist leider überhaupt nicht wahr. Hinter der Deckung dieser Schutzbehauptung vermehrt sich die Elster rasend und wandelt blühende Gärten in Steppen und Wüsteneien. Es ist an der Zeit, der Elster in den ausgestreckten rechten Arm zu fallen. Der Nazivogel braucht einen vor den Latz. Schnell, dringend und unmissverständlich.
Sage keiner, es ginge nicht. Das medizinballgroße Elsternnest vor dem Fenster ist mit einem Besen schnell aus dem Baum gehauen. Auch Freunde der Luftpistole können gute Werke tun. Kanonier Klink, Elster auf neun Uhr! Dschuff!, schon hat die Elster eine hängen. Es bringt sie nicht einmal um, aber bei Wiederholung zeigt die medizinische Bleianwendung Folgen: Die Elster verzieht sich. Und die Singvögel kehren zurück, sogar Zaunkönige, und nisten und singen, dass es eine Lust ist. Die kleinen gelbroten Schnäblein sperren sie auf, als wären sie von Nikolaus Heidelbach gemalt. Tränen der Freude dürfen wir vergießen über so viel Zartheit der Schöpfung.
Und sie beschützen, gegen marodierende Elster-Kameradschaften. „Dies wetze scharf dein Schwert, verwandle Gram in Zorn; erschlaffe nicht dein Herz, entflamm es!“, heißt es bei Shakespeare. Ich will den Dichter beim Wort nehmen. Der Krieg gegen die Nazi-Elster ist hiermit erklärt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen