CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI
: Hackedicht am ewigen Tag

Vor einiger Zeit prahlte „Tatort“-Kommissar Axel Milberg damit, dass seine Redaktion im Gespräch mit Henning Mankell sei. Der Schwede werde angeblich ein Drehbuch für eine Kieler Ausgabe schreiben. Hat bislang noch nicht geklappt, wahrscheinlich hat Mankell einfach zu viel anderen Kram um die Ohren (siehe Aufmacher).

Geschadet hat die Abwesenheit des skandinavischen Tausendsassas dem „Tatort“ allerdings nicht. Als Drehbuchautor ist Mankell sowieso komplett überschätzt, und statt die Handlung ins vom deutschen Fernsehen schon reichlich abgefilmte Schweden zu strecken, reicht sie bei der aktuellen Episode gleich ins fremdere Finnland. Hier muss Borowski einen jugendlichen deutschen Straftäter, der eine Einheimische ermordet haben soll, in Empfang nehmen.

Der Krimiplot erscheint nicht von großer Bedeutung, vielmehr ist das Täterrätsel (Buch: Clemens Murath) Vorwand für eine Mixtur aus Roadmovie, Kulturfilm und psychedelischem Albtraum. Regie führte der gebürtige Finne Hannu Salonen, der schon einige sehr nette „Tatorte“ inszeniert hat. Das Trink- und Tanzverhalten seiner Landsleute greift er ebenso kenntnisreich auf wie regionale Drogen- und Reisegewohnheiten.

Auf langen Fahrten durch die Waldstraßen Finnlands erläutert der einheimische Polizist Mikko Sitten und Gebräuche des Landes. Beim freundlichen Duzen lässt man sich von dem zu überführenden Jugendlichen linken – bald stehen die Bullen ohne Waffe und Auto da. Der deutsche Kommissar leidet so oder so im mittsommernächtlichen Finnland an Konzentrationsschwäche: Bei tagheller Nacht geben die Vögel lauthals Konzerte, an Bettruhe ist nicht zu denken. So verliert Borowski in dieser Variante des US-Schlafstörungsthriller „Insomnia“ die Orientierung.

Irgendwann taumelt er dann durch die Wälder, gequält von Hunger greift er zu Pilzen, die dem in Drogendingen eher unerfahrenen Kommissar halluzinatorische Grenzerfahrungen aufzwingen. Hackedicht im ewigen Tageslicht – wer braucht da schon Mankell.

Kiel-„Tatort“: „Tango für Borowski“. Sonntag, 20.15 Uhr, ARD