Mit Riesenkader an die Spitze

HANDBALL Titelverteidiger HSV ist wieder in der Champions League. Die Hamburger wollen Kiel angreifen

In Hamburg stehen sich tagtäglich zwei Handball-Teams von absoluter Weltklasse gegenüber – und niemand schaut zu. Mit Ausnahme von Martin Schwalb und Jens Häusler, den Trainern des HSV Handball. Dürfte ein Handballverein wie ein Formel1-Rennstall zwei Starter in die Meisterschaft schicken, hätte der HSV zwei vorzügliche Aspiranten auf den Titelgewinn. Aber im wirklichen Leben muss von 19 Profis stets ein Dutzend vom Spielfeldrand aus zusehen.

Rotation ist daher die Maxime. „Wer am Mittwoch nur zuschaut, kann am Sonnabend schon wieder der Held sein“, sagt Schwalb, als wolle er aufkommender Unzufriedenheit bei seinen Spielern vorbeugen. „Mir ist nicht bange. Da wächst eine ganz tolle Gemeinschaft heran, davon bin ich überzeugt. Die Zugänge stärken den Geist der Mannschaft“, sagte Schwalb. Einer von ihnen, der Kroate Davor Dominiković, schwärmt noch: „Wenn wir im Training sieben gegen sieben spielen, ist das ein Spiel auf Bundesliga-Topniveau. Jede Position ist doppelt bis dreifach gut besetzt.“

Dominiković ist ein Symptom für die Linie beim HSV: Die Brüder Andreas und Matthias Rudolph, der eine Mäzen, der andere Präsident des Clubs, haben ihn jüngst verpflichtet, ohne den Manager Frank Rost in Kenntnis zu setzen, der eigentlich mit dem Auftrag geholt worden war, den HSV unabhängiger von den Zuwendungen Rudolphs zu machen. Am nächsten Tag war Rost weg, gefeuert nach sieben Wochen im Amt.

Die Botschaft ist klar: Die Rudolphs wittern nach dem Gewinn der Champions League die Chance, endlich dem im Umbruch steckenden Serienmeister THW Kiel den Rang abzulaufen – und sind bereit, dafür alles zu tun. Andreas Rudolph hat schon mehr als 25 Millionen Euro in den Verein gepumpt. In dieser Saison beläuft sich der Etat des HSV auf mindestens neun Millionen Euro. „Wir stehen vor der spannendsten Bundesliga-Saison seit vielen Jahren“, prophezeit Schwalb.

Der erste Erfolg stellte sich am Freitag ein: Denkbar knapp, mit einem 27:26 gegen die Füchse Berlin nach 30:30 im Hinspiel, qualifizierte sich der Titelverteidiger für die Champions League, wo zusätzliche Einnahmen winken. In der vergangenen Saison bescherte der Triumph dem HSV allein eine halbe Million Euro an Prämien, plus Zuschauereinnahmen und Sponsorengelder. Und der Gewinn der Champions League berechtigt zur Teilnahme an der gerade stattfindenden Klub-WM in Katar. Der Sieger kassiert rund 300.000 Euro. „Wir sind dort nicht zum Spaß, wir wollen den Titel“, sagte Schwalb. Priorität habe allerdings die Meisterschaft.  CHRISTIAN GÖRTZEN