Fans erlöst, HSV k. o.

FUSSBALL Fünfter! Hertha steht nach dem Sieg gegen den HSV nach drei Bundesliga-Spieltagen so gut da wie nie zuvor

Es hatte sich abgezeichnet. Wenn dieser große Schlaks in Nähe des Fünfmeterraums auftauchte, dann wurde es gefährlich. Wenn er sich hoch zum Kopfball schraubte oder mit seinen langen Gräten zum Schuss ansetzte, musste die HSV-Defensive auf der Hut sein. Hertha-Stürmer Adrián Ramos ist gemeint. Zahlreiche Flanken waren bereits in Richtung des Kolumbianers gesegelt. Irgendwann würde er ihn reinnicken, dachte man.

Es war dann aber sein linker Fuß, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Nach 74 Minuten umkurvten Änis Ben-Hatira und Nico Schulz auf der linken Außenbahn ihre Gegenspieler, und bei Schulz’ Pass hielt Ramos den Schlappen hin. 1:0 für die Hertha – und dabei blieb’s. Hertha-Fans: erlöst. HSV: k. o.

Belohnung für die Arbeit

Nach dem Erfolg gegen die Hamburger feiert Hertha so mit nun sieben Punkten aus drei Spielen einen überaus gelungenen Saisonstart und findet sich vorerst auf Tabellenplatz fünf wieder. Trainer Jos Luhukay betonte nach dem Spiel, wie wichtig Stürmer Ramos sei: „Er macht für uns so oft das erste Tor, das war in Liga zwei so, und das ist auch in der ersten Liga so.“ Kapitän Fabian Lustenberger sagte: „Wir belohnen uns für die harte Arbeit, die wir leisten – jetzt müssen wir die Erfolge bestätigen.“

Gegen den HSV zeigte sich dabei auch, wie wichtig für Hertha im Lauf der Saison der breite, ausgeglichene Kader werden könnte. Diesmal waren es weniger die beiden Neuzugänge Hajime Hosogai und Alexander Baumjohann, die die Akzente setzten, sondern etwa Mittelfeldspieler Änis Ben-Hatira oder eben der stets gut postierte Ramos, die für den Erfolg sorgten – nicht zuletzt auch Torwart Thomas Kraft.

Mit blau-weißen Choreografien in der Ost- wie in der Westkurve des Olympiastadion beginnt der sonnige Samstagabend im Olympiastadion; die Fans in der Ostkurve bilden einen großen Hertha-Schriftzug, der den gesamten Unterrang ziert. Das ist dann aber auch schon das Schönste, was Hälfte eins zu bieten hat. Hertha wirkt nicht so sicher wie zuletzt, so ergeben sich die größten Chancen für die Elbstädter auch aus Fehlern der Hertha-Defensive. Einer der seltenen Höhepunkte in Durchgang eins: Hertha-Keeper Thomas Kraft stolpert fast über den Ball, spielt dann aber den heranstürmenden Artjoms Rudnevs gekonnt mit einer Körpertäuschung aus – Chuzpe sagt man da wohl zu. Der Rest ist: Freistöße und Fouls, Fouls und Freistöße.

Auch die zweite Hälfte beginnt mit einer Choreografie, diesmal aber nur im HSV-Block, und nun mit viel Schall, mit Rauchbomben und roten Bengalos. Langsam kommt auch ins Spiel etwas Feuer, weil es immer umkämpfter wird. Ramos hat ein, zwei gute Gelegenheiten, die dritte nutzt er in einem sehr ausgeglichenen Spiel, in dem die Hertha leichte Vorteile hat. Gegen Ende wird es bei den Standards und Ecken des HSV noch mal brenzlig, Torwart Kraft aber pariert glänzend.

Der sichtlich angekratzte Jos Luhukay sinniert nach dem Spiel noch von „Werten und Normen in unserer Gesellschaft“ und zeigt damit sehr deutlich, was er von der derzeitigen Berichterstattung der Boulevardmedien hält, die jüngst die Affären von Hertha-Spielern sehr frühzeitig skandalisierten. Freuen könnte sich Luhukay hingegen über eine andere Tatsache: Wenn Hertha nach dem besten Bundesligastart der Vereinsgeschichte so weitermacht wie bisher, ist der Klassenerhalt bereits zur Winterpause gesichert. JENS UTHOFF