… CANSEL KIZILTEPE?
: Die Welt neu erklären

Von nahezu jedem Laternenmast in Friedrichshain-Kreuzberg lächelt uns Cansel Kiziltepe derzeit entgegen. Falls Sie nicht wissen, wen ich meine: die Frau in den 30ern oder 40ern mit dem hübschen Gesicht und den wilden brauen Locken. Sympathisch sieht sie aus, vielleicht etwas schüchtern. Was einen nicht wundert ob der Herkules-Aufgabe, zu der sie ihre Partei verdonnert hat: bei der Bundestagswahl den grünen Stammwahlkreis von Altmeister Christian Ströbele zu gewinnen. Um etwas Schwung in den doch eher aussichtslosen Kampf zu bekommen, hatte die gebürtige Berlinerin eine Idee: Werbespots mit ihr und der 13-jährigen Tochter Ella.

Und so kann man der Kandidatin jetzt so nahe kommen, wie man Politikern eigentlich gar nicht kommen möchte: Cansel und Ella beim Abwasch, Cansel und Ella lesend auf dem Sofa, Cansel und Ella spazierend. Das Prinzip der Dialoge ist denkbar einfach: Ella erzählt etwas oder stellt eine Frage, Mama Cansel erklärt. Zum Beispiel so: „Mama, weißt du, worüber ich gerade nachgedacht habe?“ – „Worüber denn, Ella?“ – „Dass ich großes Glück hab. Ich hab genug zu essen, ich kann Klavier spielen, ich kann aufs Gymnasium gehen.“ Dann malt sich Ella aus, was wäre, wenn ihre Eltern auch von Hartz IV leben müssten, so wie die eines Freundes, der sich deswegen keinen Flötenunterricht leisten kann. Mama Cansel, Geschirrtuch in der Hand, nickt verständnisvoll. Ella: „Ist doch ungerecht. Was können denn die Kinder dafür, dass die Eltern so wenig Geld haben?“

Gute Frage, werden Sie, geneigteR LeserIn, sagen – ja, was denn, Frau Kiziltepe? Die Antwort bleibt sie leider schuldig, der Sport endet hier. Dabei hätte man wirklich gerne gehört, wie Mama Cansel ihrer Tochter erklärt, welche Partei Hartz IV erfunden hat. SUG Foto: SPD