Die Langweilerwahl als Lackmustest

Ministerpräsident Koch stilisiert die Kommunalwahlen in Hessen zu einer Testwahl für Angela Merkel hoch. Viele unabhängige Listen und Wählergemeinschaften. SPD will wieder stärkste kommunale Kraft werden. Schwarz-Grün in Frankfurt am Main?

Die SPD versucht ihre verblasste Marke „rotes Hessen“ wieder aufzuwärmen

VON HEIDE PLATEN
UNDKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Vor den Kommunalwahlen am Sonntag in Hessen machen den etablierten Parteien die Wählerlisten Sorgen. In den letzten Jahren sind sie auf der kommunalen Ebene neu entstanden, darunter vereinzelt auch Tarnlisten rechtsradikaler und rechtsextremistischer Gruppen und Parteien. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) versucht denn auch, die Unionsanhänger zum Urnengang zu motivieren. Die Kommunalwahlen, meint er allen Ernstes, seien ein Zwischenzeugnis für Angela Merkel.

Trend bei den Bürgermeister- und Landrätedirektwahlen der letzten fünf Jahre war, dass die Sozialdemokraten in nicht wenigen Städten und selbst im traditionell konservativen Rheingau-Taunus-Kreis die Kandidaten der CDU in die Schranken wiesen – fast flächendeckend. Dabei wollte Koch die Union schon nach dem Landtagswahltriumph 1999 zur „Hessenpartei“ machen – eine Apostrophierung, auf die bis dato allein die SPD wegen ihrer verblassten Marke „rotes Hessen“ stolz sein durfte. Bei Landtagswahlen schwärzte sich die Hessenkarte mehr und mehr ein.

Auch bei Kommunalwahlen lag SPD zuletzt nur noch um 0,3 Prozentpunkte vorne. Der „Genosse Trend“ scheint jetzt aber wieder der SPD geneigt, was sich bei Direktwahlen der Oberbürgermeister und Landräte zeigte. Auch laut Umfragen verliert die CDU am Sonntag hessenweit rund 2 Prozent, im Vergleich zu den Landtagswahlen gar mehr als 8 Prozent.

Die SPD sieht Koch schon auf dem absteigenden Ast. Doch was zählen schon Direktwahlerfolge in der Provinz, wenn die Zitadelle Frankfurt am Main vorerst weiter fest in der Hand von Petra Roth (CDU) bleibt? Die OB-Direktwahl in Frankfurt findet erst 2007 statt. Und der Union dort wurde von den Demoskopen auch für den Sonntag schon wieder ein Wahlerfolg prophezeit.

Fünf Jahre Viererbündnis im Frankfurter Römer haben die Konturen, die Unterschiede von CDU, SPD, Grünen und FDP verwischt. Das macht Prognosen schwer. Die Bürgerinnen empfanden die vergangene Legislaturperiode als lähmend, als Blockade, und scheinen der Zwangsgemeinschaft überdrüssig. Auch nur wenige Themen regen noch so auf wie die Zukunft des Henninger Turmes, dem Stadtwahrzeichen vor allem älterer Frankfurter, die seine längst von der Hochhaus-Skyline verschluckte Silhouette nicht verändert wissen wollen. Zum zweiten Mal kann in Frankfurt von den 431.000 Wahlberechtigten kumuliert und panaschiert werden. Auf den ellenlangen Wahlzetteln müssen sie ihre je 93 Stimmen auf 643 Kandidaten aus 11 Parteien verteilen.

Die Kandidaten sind laut einer Umfrage so unbekannt wie nie zuvor. Der CDU wurde ein Wahlergebnis von 39 Prozent, der SPD 28, den Grünen üppige 19, der FDP 6 und der Linkspartei knappe 5 Prozent prognostiziert. Die einköpfige Fraktion der ehemals grünen Fundamentalistin Jutta Ditfurth, die eine Verdoppelung ihres Mandats anstrebt, und die Flughafenausbaugegner (FAG), wären rein rechnerisch nicht entscheidend, wenn Schwarze und Grüne tatsächlich mit so einer komfortablen Mehrheit (58 Prozent) koalieren könnten.

Der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Sikorski plädiert in seiner Partei dafür, das Lagerdenken aufzugeben. Aber auch die Kontroversen wurden in der letzten Woche vor der Wahl schärfer benannt. Die CDU profilierte sich mit stärkerer Überwachung der Bürger und der Senkung der Gewerbesteuer. Das lehnen die Grünen ab. Der Flughafenausbau, könnte – wie schon beim Viererbündnis – aus einem eventuellen Koalitionsvertrag ausgeklammert werden. Frankfurt schwarz-grün? Die Basis hat das schon einmal verhindert.