1.) DER MÖRDER WIRD AUCH HIER NICHT VERRATEN 2.) ÄLTER WERDEN IST SOWIESO GAR NICHT SO SCHLECHT
: Eigentlich ganz sympathisch, dieser Peer Steinbrück

VON DETLEF KUHLBRODT

Der Geburtstag liegt so komisch am Ende des Augusts, danach hat man immer das Gefühl, der Sommer sei zu Ende. Und dann gab es plötzlich in einer Woche so viele Aufträge wie sonst den ganzen Monat. Da ich es nicht mehr gewohnt war, viel zu schreiben, war ich in Stress geraten und hatte erst Freitag für den Samstag eingeladen. Ich war erleichtert. Das Wetter war super; dass an einem Freitagmittag tatsächlich alles getan war, hatte ich lang nicht mehr erlebt.

Gegen Mittag war ich mit B. verabredet. Wir kennen uns aus den Neunzigern und sind uns seitdem immer wieder mal auf der Hanfparade über den Weg gelaufen. In diesem Jahr hatten wir uns zufällig Dienstag am Tempelhofer Ufer 32 bei der Anbringung einer Gedenktafel, die an Rio Reiser erinnert, getroffen. Es hatte mich etwas gewundert, dass sie ihr ganzes Leben Ton Steine Scherben toll gefunden und verehrt hatte, dass ihr diese Musik nie auf den Geist gegangen war. Genauso wie ich mich immer wundere, wenn mir jemand erzählt, er wohne schon seit 20 Jahren in der gleichen Wohnung. Oder seit 40 Jahren, wie Bewohner des Hauses am Tempelhofer Ufer 32. Die erzählten, dass der Eigentümer sich sehr darum bemühe, Altmieter zu kündigen, wie in einer Pressemitteilung des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin e.V. kritisch angemerkt wurde.

Es war also Freitagmittag. Ich wollte zu B. fahren. Doch wo war der Fahrradschlüssel? Weil das Dings, mit dem man ihn am Schlüsselbund befestigt, kaputt war, hatte ich ihn eigentlich immer in der Hosentasche. Eine Stunde suchte ich, dann fand ich ihn doch.

Der Besuch bei B. war eine Art Déjà-vu. Die Wohnung sah genauso aus, wie die Wohnungen von alternativen Kifferfreunden, die ich früher oft besucht hatte. Sehr ordentlich. Dezente Hippieaccessoires. Mit Essen aus dem Bioladen, einem sicher auch biodynamischen Grasjoint und klaren politischen Meinungen. Ein Bekannter, Ende 50, war auch da und wollte es erst gar nicht glauben, dass es eine Frank-Zappa-Straße in Berlin gibt.

Weil ich so lange keinen Joint mehr am Nachmittag geraucht hatte, glitt ich in nostalgische Gefühle. Als B. sagte, sie sei überzeugt, dass bald ein neuer Faschismus vorbeikäme, kippte die Stimmung ein bisschen. Ich widersprach, und als ich erklärte, dass ich Peer Steinbrück eigentlich ganz sympathisch im Fernsehen fände, wurde B., die mit den Piraten sympathisiert, richtig böse. Ein paar Minuten waren wir nun disharmonisch, dann war es aber wieder okay. Heimwärts fuhr ich an den Plakaten von „Erststimme Ströbele“ vorbei und freute mich darüber, dass er alle vier Jahre besser aussieht.

Der Geburtstag war wie immer ganz schön. Wie angenehm ist es doch, trinkend zwischen alten Freunden in einer Bar zu stehen, die man noch aus den achtziger Jahren kennt! Älter werden ist sowieso gar nicht so schlecht. Ein paar Jahre ist man genervt, weil man das Gefühl hat, Sachen, Leute und sich selbst auch schon viel zu lange zu kennen. Dann beginnt man, sich darüber zu freuen. Zumal ja immer wieder auch was Neues passiert. H. erzählte von einem nackten Flaschensammler, der ihm neulich am Görlitzer Bahnhof über den Weg gelaufen sei. Er war so konsterniert von dessen Nacktheit gewesen, dass er ihn gefragt hatte, „bist du wirklich nackt“, und der Nackte hatte auf Hessisch geantwortet: „Ja, wirklich nackisch.“

Entspannt gondelte ich durch den Sonntag. Ums Essen brauchte ich mich nicht zu sorgen, G. lud mich zu Sushi ein. R., den ich ein paar Jahre babygesittet hatte und dem G. nun versucht, Spanisch beizubringen, brachte einen Kuchen mit. Klassisch endete das Wochenende mit dem „Tatort“. Tausend Leute saßen im Park am Gleisdreieck und guckten. Radioeins hatte das organisiert. Im Fernsehen wird dieser „Tatort“ erst Anfang September laufen. Es ist verboten, den Mörder zu verraten.

So gehen die Tage dahin und sind schön.