Hart, härter, Stoiber

VON LUKAS WALLRAFF

Es ist Wahlkampf in Deutschland und Demoskopen haben herausgefunden, dass zwei Drittel aller Wähler Einbürgerungstests gut finden würden. Selbst die Anhänger von SPD, Linkspartei und Grünen halten es laut einer Forsa-Umfrage mehrheitlich für sinnvoll, Ausländer erst einmal über ihr Wissen und Gewissen abzufragen, bevor sie einen deutschen Pass bekommen. Auch die mächtigste Bürgerin des Landes, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat sich dafür ausgesprochen.

Dass die Einbürgerungszahlen schon seit Jahren sinken, dass immer weniger Ausländer Deutsche werden wollen (siehe Grafik), ist Merkel bekannt, aber darüber spricht sie lieber nicht.

Ihre Baden-Württemberger CDU-Parteifreunde, die das Thema „Einbürgerungstests“ Anfang des Jahres als Erste ins Spiel brachten, können sich also bestärkt fühlen. Die ablehnende Haltung der SPD spornt die konservativen Test-Verfechter kurz vor den Landtagswahlen am Sonntag erst richtig an. Endlich haben sie eine Forderung gefunden, die das große Einerlei der großen Koalition aufbricht, die wenig kostet und beim Wahlvolk bestens ankommt.

Und so vergeht kein Tag ohne einen neuen Vorstoß aus der Union für Einbürgerungstests. „Man könnte das zum Beispiel in Form eines Interviews mit anschließender Prüfung machen“, ließ gestern Edmund Stoiber wissen, der auch mal wieder Schlagzeilen machen wollte. Mit Erfolg: Bild präsentierte die Ideen des ehemaligen Kanzlerkandidaten unter der Überschrift „Einbürgerungs-Verhör“. Der Eindruck dürfte ihm gefallen: Hart, härter, Stoiber. Doch bei genauerer Betrachtung seiner Aussagen wird es etwas komplizierter.

„So wie in Amerika oder Kanada“ stellt sich der bayerische Ministerpräsident das Einbürgerungs-Prozedere künftig vor. Man darf annehmen, dass Stoiber die SPD weiter in die Defensive drängen wollte. Mit seinem Vorschlag dokumentiert Stoiber jedoch vor allem, wie unausgegoren und widersprüchlich die scheinbar einheitliche Haltung der Union selbst ist.

Das „klassische Einwanderungsland“ USA galt in der Union bisher keineswegs als Vorbild. Im Gegenteil: Gerade CSU-Politiker vertreten nach wie vor die absurde These: „Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ Sollte sich Stoibers Meinung dazu geändert haben, wäre dies ein Quantensprung. Aber so soll man ihn wohl kaum verstehen. Wie dann? Wollte er einfach den Unionskollegen helfen, die bereits an Einbürgerungstests basteln?

Mit der US-Einbürgerungspraxis lassen sich die bisherigen Vorschläge der CDU-regierten Länder nur sehr bedingt vergleichen. In den USA werden weder Gesinnungsfragen gestellt, wie in dem Baden-Württemberger „Leitfaden“, noch Stadt-Land-Fluss-Kenntnisse verlangt, wie in dem hessischen Fragebogen-Vorschlag.

Die zunehmende Konfusion innerhalb der Union in Bezug auf die Kriterien erschwert es Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, das erklärte Ziel zu erreichen, schon im Mai auf der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern Einbürgerungstests durchsetzen. Schäuble scheint dies zu spüren und rudert bereits – vorsichtig – zurück. Denkbar sei auch, nur verpflichtende Integrationskurse einzuführen. Ohne Test.

Nur wenige Unionspolitiker verraten, worum es in Wahlkampfzeiten wirklich geht. So rutschte CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach kürzlich heraus, „dass wir die Zuwanderung generell erschweren wollen“.

Ausländer rein oder raus? Das ist die eigentliche Frage, die Christ- und Sozialdemokraten trennt. „Die Debatte geht in eine völlig falsche Richtung“, sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz nun der taz. „Vielleicht haben wir nicht deutlich gemacht, dass wir uns mehr Einbürgerungen wünschen.“ Eine Vereinheitlichung der Regeln könne jedenfalls „nicht heißen, dass die Hürden noch höher gesetzt werden“.