Raus hier, aber pronto

Aktuelle Abschiebungen zeigen hilflose Beamte, verzweifelte Flüchtlinge, zu kurze Fristen und echte Schlamperei

Nur ein Versehen

Am 15. März holt das Ausländeramt Essen mit Gewalt eine 37-jährige Serbin aus dem Krankenhaus zum Düsseldorfer Flughafen abtransportiert. Sie befand sich in psychischer Behandlung. Am Flughafen musste die Abschiebung abgebrochen werden, weil die Ärzte die Frau als nicht transportfähig einstuften. Außerdem sei die versuchte Abschiebung ein Versehen gewesen, sagte später ein Sprecher der Stadt. Denn ein noch nicht entschiedener Asylfolgeantrag der Serbin sei vergessen worden. Der Essener Flüchtlingsrat war über die „Entführung“ der Frau aus dem Krankenhaus empört – so ein Fall sei bisher noch nicht vorgekommen.

Abflug in 39 Stunden

Am 14. März erhält Familie Mulaj aus Bocholt einen Eilbrief von der Ausländerbehörde: Bis zum übernächsten Tag sollte sie sich abreisefertig machen, für den Rückflug in den Kosovo. Nur 25 Kilogramm Gepäck sei erlaubt. Ein Schock für die Mulajs, die seit 15 Jahren in Bocholt leben. Die Eltern haben beide Arbeit, zwei der Kinder sind hier geboren. Sie gehören der Volksgruppe der Ashkali an, die während des Krieges und auch danach von Serben und Albanern verfolgt wurden. Bis vor einem Jahr wollte die Kosovo-Verwaltung UNMIK keine Ashkali aufnehmen, jetzt hat sie sich dem Druck deutscher Innenminister gebeugt. Kurz vor der Abreise klappte die Tochter der Mulajs zusammen und kam ins Krankenhaus. Die Ausländerbehörde hatte ohne Erfolg ihre Herausgabe gefordert. Nun soll die Familie doch noch warten dürfen, ob ihr Antrag bei der Härtefallkommission positiv beschieden wird.

Geiselnahme

Am 12. März nimmt ein Syrer in einem Krankenhaus in Eschweiler seine Ex-Freundin und deren neugeborenes Kind als Geiseln. Er ist mit einer Pistole bewaffnet und schüttet Benzin im dem Zimmer aus. Das Krankenhaus wird abgesperrt, nach sieben Stunden gibt der Geiselnehmer auf. In der Vernehmung sagt er, er habe seine Abschiebung verhindern wollen, nachdem zuvor sein Asylantrag abgelehnt worden sei. Zwei Tage später teilt die Kreisverwaltung Aachen mit: Der Mann hätte eine Duldung beantragen können und wäre dann nicht abgeschoben worden, da er wegen einer Erkrankung dauerhaft reiseunfähig sei. Jetzt sitzt er Untersuchungs-Haft.

Flucht aufs Dach

Am 9. März kamen, nachts um 20 vor vier, Polizei und Ausländerbehorde in die Wohnung einer türkischen Familie in Ahlen, um sie abzuschieben. Sie fand die drei Kinder in der Wohnung, Mutter und Vater flohen auf das Dach des Hauses und drohten damit, sich herunterzustürzen. Dort blieben sie mehrere Stunden, bevor sie aufgaben und die Polizei sie festnahm. Der 18-jährige Sohn wurde umgehend abgeschoben, die beiden minderjährigen Kinder wurden an das Jugendamt Ahlens übergeben. Die beiden Eltern sitzen derzeit in zwei unterschiedlichen Gefängnissen und warten auf ihre Abschiebung.

Einsatz für Kongolesin

Ganz Übach-Palenberg steht hinter Lemba Phemba, der 18-jährigen Kongolesin, die vor zehn Jahren nach Deutschland kam. An ihrer Gesamtschule setzen sich Lehrer und Schüler gegen ihre Abschiebung ein. Und sogar das Ausländeramt des Kreises Heinsberg sagt, es würde sie am liebsten in Deutschland lassen. Wenn da nur nicht die Bundesgesetze wären, die das Amt dazu zwingen würden, das Verfahren zu betreiben. Aus Angst vor der Abschiebung ist inzwischen ihre Mutter untergetaucht. Jetzt tagt eine Härtefallkommission. Ausgang offen. HEI/NAW