Genossenschaft zum Reichwerden

Die Sparda-Bank Hamburg wächst in gewaltigen Sprüngen und setzt dabei ausschließlich auf die andernorts wenig willkommenen Privatkunden. Sie profitiert von dem Misstrauen, das immer mehr Menschen den großen Geldinstituten gegenüber aufbringen

„Wieso sollten wir erst Geld wegnehmen und über die Rendite wieder zufließen lassen?“

von GERNOT KNÖDLER

Die Sparda-Bank Hamburg macht möglich, was sich andere Banken angeblich nicht leisten können: ein kostenloses Girokonto. Die EC- und Kreditkarte gibt‘s noch oben drauf. Möglich ist das, weil die Bank als Genossenschaft ihren Kunden selbst gehört – und weil sie sich einiges hat einfallen lassen, um die Kundschaft dazu zu bewegen, beim Kostendrücken zu helfen. Als Lohn der Mühe kommen neue Kunden in Scharen herbei: 2005 war das dritte Jahr in Folge, in dem die Bank mehr als 20.000 neue Kunden gewann. Auch bei Zufriedenheitsumfragen belegt sie regelmäßig vordere Plätze.

„Seit Einführung des Girokontos haben wir noch nie Gebühren von unseren Kunden genommen“, sagt Dieter Miloschik, der Pressesprecher der Sparda-Hamburg. Sinn einer Genossenschaftsbank sei es ja, die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kunden zu verbessern. „Wieso sollten wir unseren Mitgliedern erst Geld abnehmen“, fragt er, „und dann über die Rendite wieder zufließen lassen?“

Die Sparda-Hamburg ist 1903 als Selbsthilfeeinrichtung von Reichsbahnern im Norden gegründet worden. Wer heute ein vollwertiges Konto eröffnen will, muss Genossenschaftsanteile à 52 Euro zeichnen: mindestens einen, maximal elf. Jedes der inzwischen mehr als 160.000 Genossenschaftsmitglieder hat nur eine Stimme.

Die Rendite kann sich – zumindest, wenn man nicht die Maßstäbe des Turbo-Kapitalismus anlegt – sehen lassen. Mit 5,6 Prozent pro Jahr wird jeder Genossenschaftsanteil verzinst. Statt den Gewinn von im vergangenen Jahr 20,9 Millionen Euro Aktionären in die Tasche zu stecken, tun das die Genossenschaftsmitglieder, die nebenbei auf günstige Weise ihre Bankgeschäfte abwickeln können.

Miloschik zufolge profitiert die Sparda gerade von ihrer Spezialisierung auf Privatkunden – eine Gruppe, mit der sich die großen Banken in den vergangenen Jahren schwer getan haben. Die Deutsche Bank zum Beispiel sortierte 1999 ihre weniger vermögenden Kunden in die neue Bank 24. Mit fatalen Folgen für den Ruf des Kreditinstituts – denn wer will schon als Kunde zweiter Klasse gelten? Bei vielen Banken wurden Filialen geschlossen und Renditeziele höher gesteckt. Das macht die Kunden misstrauisch.

Erst kürzlich hat das Marktforschungsinstitut Forrester Research bei den europäischen Bankkunden ein schwindendes Vertrauen in ihre Hausbank festgestellt. Drei Viertel der Befragten glauben, dass ihre Hausbank bei einer Anlageberatung eher ihr eigenes Interesse im Auge hat als das der Anleger. Die Kundschaft berate sich in Gelddingen lieber mit der Familie und Freunden oder konsultiere das Internet statt den Bank-Berater. Der Sparda ist es stets gelungen, bei der Vertrauensfrage einen der zehn besten Plätze zu erreichen.

„Privatkunden sind viel leichter zu kalkulieren als Geschäftskunden“, gab Wolfgang Gerke, Professor für Banken- und Börsenwesen der Uni Nürnberg-Erlangen zu bedenken, als der Strukturwandel der Banken in vollem Gange war. Das höchste Ausfallrisiko bei einem Privatkunden sei eben ein Hauskredit, sagt Sparda-Sprecher Miloschik, und hinter dem stecke eine Immobilie. Wo es keine großen Ausfälle aus dem Firmenkundengeschäft zu kompensieren gelte, könne auf Gebühren bei den Privatkunden verzichtet werden.

Die Bank konzentriert sich auf ein überschaubares Bündel standardisierter Angebote, was die Kosten weiter drückt. Um darüber hinaus zu sparen, verführt die Sparda ihre Mitglieder und Kunden mit Zuckerbrot, statt sie mit der Peitsche zu traktieren. Wer Neukunden wirbt und Überweisungen per Internet oder Automateneingabe selbst erledigt, erhält Bonuspunkte, die sich in Bargeld oder Prämien umsetzen lassen.