Skepsis am Mississippi

Die Basketball-Profis der New Orleans Hornets spielen seit dem verheerenden Hurrikan „Katrina“ in Oklahoma City – und sehen ihre Heimatstadt nur noch sporadisch

NEW ORLEANS taz ■ Chris Paul war sichtlich erschüttert. „Man darf nichts im Leben für selbstverständlich halten“, sagte der junge Star der New Orleans Hornets, bevor er in den Bus stieg, der ihn und seine Mannschaftskameraden drei Stunden lang durch die zerstörten Viertel der Stadt am Mississippi gekarrt hatte. „Diese Leute zu sehen, die alles verloren haben …“, fügte er an und ließ den Satz in ein fassungsloses Kopfschütteln münden.

Die Stadtrundfahrt sollte an die Solidarität der Spieler mit New Orleans appellieren. Nach der Reaktion von Paul und seinen Kollegen fragt man sich in New Orleans nun, ob es wirklich eine gute Idee war, den Spielern das Ausmaß der Zerstörung vorzuführen. PJ Brown, der dienstälteste Spieler der Hornets sagte: „Diese Stadt hat so viele Sorgen. Ich glaube, wir sollten noch ein wenig wegbleiben.“

Das Basketball-Team spielt seit der Katastrophe im vergangenen August im 1.500 Kilometer entfernten Oklahoma City und fühlt sich im Exil pudelwohl. In der vergangenen Woche absolvierten die Hornets drei Heimspiele in New Orleans – als Test, ob eine dauerhafte Rückkehr in absehbarer Zeit denkbar ist. Die drei Spiele in der frisch renovierten New Orleans Arena liefen nicht so schlecht. Vor ihrem Umzug nach Oklahoma hatten sich im von Armut geplagten New Orleans gerade mal 14.000 Zuschauer pro Spiel Karten für die Hornets leisten können.

In Oklahoma, einer aufstrebenden Stadt, die ansonsten wenig zu bieten hat, kamen von Anfang an 18.000. Bei den drei Gastspielen in New Orleans feuerten 17.000 Leute die Mannschaft an. Das gefiel dem Hornets-Besitzer George Shinn: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir hier einen solchen Erfolg haben.“ Deshalb lässt er sich aber noch lange nicht auf eine vorschnelle Rückkehr festlegen. In der kommenden Saison werden die Hornets nur 6 ihrer 41 Spiele in New Orleans bestreiten. Für die darauf folgende Spielzeit hat sich Shinn auf Druck der Liga-Oberen zwar zu New Orleans bekannt. Aber man traut ihnen in New Orleans noch nicht so recht: „Sie sagen, sie kommen zurück“, sagte Bill Johnson, der vor „Katrina“ eine Dauerkarte für die Arena hatte. „Aber dann hört man, dass sie in Oklahoma immer vor vollem Haus spielen.“

Die Hornets haben bei den Fans diese Skepsis geschürt. Erst vor wenigen Wochen war Shinn bei einem Festbankett in Oklahoma City herausgerutscht, dass er in den kommenden Jahren ein All-Star-Spiel nach Oklahoma holen möchte und dass er mit den Hornets dieses Spiel gerne ausrichten würde. Der Lapsus drang an die Öffentlichkeit, und obwohl man sich in der PR-Abteilung des Clubs beeilte, die Fans in New Orleans zu beschwichtigen, war der Schaden nicht gering. Dass Shinn später sagte, er halte zwar zu New Orleans, er sei andererseits aber auch ein Geschäftsmann, verbesserte die Situation nicht gerade.

Daran, dass ihre Sportteams in der Stunde der größten Not selbstlos zu ihnen stehen, glauben die Fans in New Orleans ohnehin schon lange nicht mehr. Der Besitzer des Football-Clubs New Orleans Saints, Tom Benson, etwa hatte unmittelbar nach dem Sturm den Hass der New Orleaner auf sich gezogen, indem er sich ganz unverblümt der reichen texanischen Stadt San Antonio an den Hals warf. Benson hatte schon seit Jahren die Nase vom maroden New Orleans voll, wo die örtliche Wirtschaft schwächelt und das durchschnittliche Haushaltseinkommen unter dem nationalen Durchschnitt liegt. Nur auf Druck von Liga-Chef Paul Tagliabue, der ein PR-Desaster für die Football-Liga vermeiden wollte, kehrt Benson nun für die nächste Saison heim. SEBASTIAN MOLL