KEINER HAT FÜR NIX GEKÄMPFT – DAS ENDE DER GENERATIONSBRÄSIGKEIT?
: Für immer und Twix

MARTIN REICHERT

Ab wann ist eigentlich der Punkt erreicht, an dem man als Mitglied einer „Generation“ wirklich Verantwortung übernehmen muss für Formen des kollektiven Handelns? „Generationen“, das sind ja, grob gesagt, gesellschaftliche Formationen, die bestimmte kollektive Erlebnisse teilen – in „my Generation“ war das zum Beispiel der Mauerfall. Und das Ende des Kalten Krieges, mit dem ich qua Gnade später Geburt nichts zu tun hatte.

Meine Generation, benannt nach einem Kompaktwagen mit Heckklappe, hat dann zum Beispiel erlebt, dass Raider in Twix umbenannt wurde, und nichts dagegen unternommen. Ist aber ansonsten dabei ganz gut über die Runden gekommen. Sie sitzt nun quasi am Ruder. Die um die 40-Jährigen haben größtenteils Familien gegründet und sitzen mindestens im mittleren Management oder so. Das Land haben sie insofern verändert, als dass es nun überall guten Kaffee gibt, mit Schaum obendrauf. Die Imbiss- und Esskultur ist abwechslungsreicher geworden, und es gibt überall WLAN.

Aber könnte man jetzt behaupten, dass „wir dafür gekämpft“ haben? Wir? Und was ist mit mir, was habe ich so getrieben außer Kaffee trinken? Was zum Beispiel die Homosexuellen angeht, können mir nachfolgende Generationen vorwerfen, dass ich die Homo-Ehe befürwortet habe – allerdings war das nur ein längst auf das Gleis gesetzter Zug, auf den ich draufgesprungen bin, so wie überhaupt fast alle Betten, in denen ich mich herumgelümmelt habe, irgendwie schon gemacht waren. Zumindest kommt es mir so vor.

Wie schafft man es eigentlich, so ein richtig bräsiges, stolzes Generationsbewusstsein zu designen? Was ist los mit „my Generation“, dass sie so gar nicht hagestolz durchs Leben schreitet? Liegt es daran, dass sie die nachfolgenden Generationen mit allgegenwärtigem Epigonentum und Retrowahn so gut in Schach halten kann, dass die erst recht nicht auf die Beine kommen? Es also gar nicht notwendig erscheint, die Nachfolgenden zu maßregeln oder sich gar über sie zu erheben? Zumindest dachte ich das neulich, als ich einer Musikveranstaltung beiwohnte, bei der knalljunge Hipster enthusiasmiert genau jenen Klängen lauschten, die in meiner Abiturzeit hip waren; ganz abgesehen davon, dass mich die Klamotten irgendwie an etwas erinnerten …

Vielleicht muss man das umgekehrt denken. Was haben „uns“ die Jüngeren vorzuwerfen? Den Klimawandel verpennt? Zu viel mit Easy Jet um die Welt gebrettert? Oder, eigentlich noch viel besser als Generalanklage: Neoliberalismus mit tatsächlicher Freiheit verwechselt?

Donnerstag Ambros Waibel Blicke

Freitag Keine Kolumne Wegen wahl.taz

Montag Keine Kolumne Wegen wahl.taz

Dienstag Keine Kolumne Wegen wahl.taz

Mittwoch Keine Kolumne Wegen wahl.taz

Gut, es liegt natürlich auch daran, das es sich bei den Nachwachsenden noch nicht um die eigenen Kinder handelt – aufgrund des generationell bedingten Spätgebärens gibt es da noch eine Gnadenfrist.

Aber eines fernen Tages wird der Moment kommen, an dem auch WIR merken, dass wir oll und bräsig geworden sind. Dann nämlich, wenn uns folgender Satz über die Lippen kommt: „IHR könnt da gar nicht mitreden, denn IHR wart ja nicht dabei.“