BAYER KAUFT SCHERING: EIN DEUTSCHER CHAMPION SOLL ENTSTEHEN
: Patriotisches Aroma

Bayer will Schering kaufen, und der Berliner Pharmakonzern nimmt dankend an, weil er nicht von von Merck übernommen werden will. In der Hauptstadt sorgt das für Erleichterung, weil man zwar den letzten DAX-Konzern verliert, aber immerhin die Pharmasparte des neuen Konzerns in Berlin gewinnen soll. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt durch ihren Sprecher mitteilen, dass ein möglicher Stellenabbau bitte sehr nicht die deutschen Standorte treffen sollte.

So verständlich diese Argumentation ist – sie ist bleibt in zu engen Grenzen. Solange Bayer, Schering oder andere deutsche Unternehmen im Ausland Firmen kaufen, freuen sich Politik und Medien über den Erfolg in einer globalisierten Wirtschaft. Und die Politik beklagt den Protektionismus der anderen, wenn deutsche Investoren nicht mit offenen Armen empfangen werden. Sobald jedoch ein deutsches Unternehmen zum Übernahmeobjekt wird, bekommen die Argumente ein patriotisches Aroma. Hauptsache, keine ausländische Company kauft „unsere“ Konzerne.

Dabei ist es schon lange her, dass Deutschland die Apotheke der Welt war. Längst sitzen die weltweit führenden Pharmafirmen in den USA und Großbritannien. Dass Bayer/Schering sich mit diesen bald auf Augenhöhe trifft, darf bezweifelt werden. Immerhin hatte Schering vor einigen Jahren, als Bayer einen Partner für seine Pharmasparte gesucht hatte, lächelnd abgewinkt. Die Überschneidungen beider Konzerne seien zu gering, eine Verbindung beider bringe keine Bündelung der Kräfte, hieß es.

Das Argument ist nach wie vor stichhaltig und sorgt mit Blick auf die Erfolgschancen von Bayer/Schering für Skepsis. Damit sich der Deal dennoch rechnet, müssten 6.000 Arbeitsplätze wegfallen, kündigte Bayer gestern an. Vielleicht wären es bei einem ausländischen Unternehmen, das besser zu Schering passt, weniger gewesen. Vielleicht mehr. Sicher ist aber: Auch ein nationaler Champion wird sich dem steten Ruf der Finanzmärkte nach möglichst viel Rendite unterwerfen.

STEPHAN KOSCH