Durchfallquote: 100 Prozent

LIBERIA 25.000 Schüler bewerben sich um Aufnahme in die staatliche Universität. Kein einziger besteht die Prüfung. Wir wollten doch bloß endlich mal fair benoten, verteidigt sich die Universitätsleitung

BERLIN taz | Da wird sich nach Kräften um den Wiederaufbau eines der am meisten von Bürgerkrieg verwüsteten Länder der Welt bemüht– und dann so was: Alle knapp 25.000 Abiturienten in Liberia, die die Aufnahmeprüfung für die staatliche „University of Liberia“ absolvierten, sind durchgefallen. „Das ist wie Massenmord“, beschwerte sich jetzt Bildungsministerin Etmonia David-Tarpeh in einem BBC-Interview. „Ich weiß, dass wir viele Schwächen in unseren Schulen haben. Aber dass jeder durchfällt, daran habe ich Zweifel.“

Die Universität hatte extra einen neuen Prüfungsleiter bestellt, um eine strengere Benotung zu gewährleisten. Er sieht seine Arbeit offenbar als Erfolg. „Es gibt die Wahrnehmung in unserer Gesellschaft, dass man bei unserer Prüfung nicht durchkommt, wenn man niemandem Geld bezahlt oder nicht die richtigen Leute kennt. Also hat die Universität sich überlegt, wie man das Verfahren verändert, damit die Fähigkeiten der Leute tatsächlich anhand ihrer Prüfungsleistungen gemessen werden“, so James Dorbor Jallah.

Der Prüfungsleiter erklärte die Aufnahmekriterien: 50 Prozent der erreichbaren Punkte in Mathematik, 70 Prozent in Englisch. In Mathe hätten immerhin 308 bestanden. In Englisch aber kein einziger.

In Liberia, im 19. Jahrhundert von aus den USA ausgewanderten schwarzen Exsklaven gegründet, gilt gutes Englisch traditionell als Monopol der winzigen Elite, die alten Siederfamilien entstammt. Das verbreitete Pidgin-Englisch hält universitären Standards nicht stand. Die Möchtegernstudenten hätten „die Mechanik der Sprache“ nicht ansatzweise begriffen, sagte Universitätssprecher Momodu Getaweh, dessen Nachname eine Pidgin-Version von „get away“ ist. „Die Regierung muss etwas tun. Der Krieg ist seit zehn Jahren vorbei. Wir müssen realistisch werden.“ DOMINIC JOHNSON