Frauen-Power für das Endlager

RADIOAKTIVITÄT Überraschende Einigkeit: Fachpolitikerinnen aller Fraktionen wollen CDU-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser als Vorsitzende der Atommülllager-Kommission. Wissenschaftler noch strittig

„Sie hat gezeigt, dass sie Kompromisse herbeiführen kann“

UTE VOGT, SPD

BERLIN taz | Bisher wirkte sie eher im Hintergrund: Als Staatssekretärin im Bundesumweltministerium zog Ursula Heinen-Esser (CDU) die Strippen bei vielen parteiübergreifenden Kompromissen – etwa beim Gesetz zu schnelleren Räumung des maroden Atommüll-Endlagers Asse oder bei den schwierigen Verhandlungen über den Neubeginn der Standortsuche für ein Endlager.

Künftig soll die 47-Jährige stärker im Rampenlicht stehen: Die zuständigen Umweltberichterstatterinnen aller fünf Bundestagsfraktionen haben sich nach taz-Informationen darauf geeinigt, Heinen-Esser als Vorsitzende jener Kommission vorzuschlagen, die ab Herbst die Kriterien für die neue Endlagersuche erarbeiten soll.

Die Volkswirtin Heinen-Esser, die seit 1998 für die CDU im Bundestag sitzt und seit 2009 Staatssekretärin ist, hat sich damit überraschend gegen große Namen wie die ehemaligen Minister Klaus Töpfer und Werner Müller oder die ehemalige Verfassungsrichterin Jutta Limbach durchgesetzt.

Alle Parteien halten große Stücke auf Heinen-Esser. „Sie kann hervorragend moderieren und Positionen zusammenführen“, begründet Sylvia Kotting-Uhl, Grünen-Berichterstatterin im Umweltausschuss, den Vorschlag. „Sie hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, Kompromisse herbeizuführen“, sagt Ute Vogt (SPD). „Darum wäre sie eine gute Kommissionsvorsitzende.“ Für die Union begrüßte Maria Flachsbarth die Entscheidung: „Ursula Heinen-Esser hat jenseits des Parteienproporzes gezeigt, dass sie in der Lage ist, auf die Zivilgesellschaft zuzugehen.“

Der Vorschlag der Berichterstatterinnen muss noch von den Bundestagsfraktionen und den Bundesländern gebilligt werden. Während dies bei Union und FPD unproblematisch sein dürfte, wird bei SPD, Grünen und Linken mit Widerstand gerechnet, eine so wichtige Position mit einer CDU-Politikerin zu besetzen. Kritik kommt etwa vom niedersächsischen Grünen-Umweltminister Stefan Wenzel. Er fürchtet, dass die Kommission unter Leitung von Heinen-Esser „zu einem bloßen Arbeitskreis des Bundesumweltministeriums“ würde. „Das wird der Dimension des Themas nicht gerecht – auch wenn ich die Integrität der Person nicht infrage stellen will“, sagte Wenzel der taz. Auch Jochen Stay von der Anti-Atom-Initiative Ausgestrahlt sieht die Personalie kritisch. „Es schwächt die Unabhängigkeit der Kommission, wenn sie von einer CDU-Politikerin aus dem Umweltministerium geleitet wird“, sagte er.

Streit könnte es auch noch um die Wissenschaftler in der Kommission geben. Die Union besteht nach taz-Informationen auf dem erklärten Gorleben-Befürworter Bruno Thomauske. Den hatten die Grünen zuvor entschieden abgelehnt.

Die 33-köpfige Kommission soll die Kriterien für ein neues Endlager erarbeiten und den Auswahlprozess begleiten. Die 16 stimmberechtigten Mitglieder aus der Zivilgesellschaft und die Vorsitzende sollen nach dem Willen der Berichterstatterinnen am 2. September im Bundestag gewählt werden. Die beratend teilnehmenden 16 Politiker aus Bundestag und Ländern werden erst nach der Bundestagswahl festgelegt. MALTE KREUTZFELDT