Die Dreiteilung wackelt

Gewerkschafter freuen sich bei einer GEW-Tagung über die Kritik an der gegliederten Schule – die immer stärker auch aus der Wirtschaft kommt

FRANKFURT dpa/taz ■ Das war eine ganz neue Rolle für die stellvertretenden GEW-Chefin Marianne Demmer. Bislang sprach die schulpolitische Expertin vor allem für die Gewerkschaften, wenn sie das dreigliedrige System von Hauptschule, Realschule und Gymnasium kritisierte. Nun sieht Demmer aber immer öfter die Wirtschaft auf ihrer Seite. Die leidet auch an der hohen Abhängigkeit der Bildungserfolge von sozialer Herkunft – und macht dafür das überkommene Schulsystem verantwortlich.

Das bestätigte auch der internationale Pisa-Koordinator der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Andreas Schleicher. Er sagte auf einer GEW-Tagung in Frankfurt, er kenne „niemanden in den Wirtschaftsetagen, der das dreigliedrige System gut findet“. Schleicher monierte nicht zum ersten Mal, dass es weiter wachsende Ansprüche an das Bildungssystem gebe. In allen Industrienationen seien „Wissensarbeiter“, also hoch Qualifizierte, „der einzig wachsende Beschäftigungsbereich“. Schleicher rief bei der Schulreform zur Eile auf.

Schleicher verwies darauf, dass Deutschland angesichts der demografischen Entwicklung vor gewaltigen Herausforderungen stehe, die nur mit mehr und besser qualifizierten jungen Menschen zu bewältigen seien. So werde in Deutschland im Jahr 2030 mehr als die Hälfte der Bevölkerung älter als 65 Jahre alt sein. Dann könne es sich das Hochtechnologieland Deutschland nicht mehr leisten, ein Viertel seiner Schüler ohne ausreichende Lesekompetenzen – wie Pisa gezeigt hatte – auf den Arbeitsmarkt zu entlassen. Und auch die dann nötigen eine Million Zuwanderer pro Jahr könnten vom überkommenen Schulsystem nicht ausreichend qualifiziert werden – denn sie landen bislang hauptsächlich auf Hauptschulen.

Damit hieb Schleicher in die gleiche Kerbe wie kürzlich Hans-Werner vom ifo-Institut in München. Sinn hatte gesagt, das dreigliedrige Schulsystem passe nicht mehr in die heutige Zeit. „Es reflektiert die Dreiklassengesellschaft des 19. Jahrhunderts“ und sei heute direkt für Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Verbands der Ingenieure in München, Christoph von Braun. Die deutsche Schulbildung hänge einem Weltbild nach, das lange überholt ist, schrieb er in der Süddeutschen Zeitung. „Ein Schulsystem, das Kinder im Alter von zehn Jahren bereits von bestimmten Berufswegen weitgehend ausschließt, ist unakzeptabel.“ CIF