LESERINNENBRIEFE
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Soziale Folgekosten steigen

■ betr.: „Mehr Freiheit oder weniger Geld“, taz vom 31. 3. 10

Die Forderung von Heinrich Alt, die Unterkunftskosten für Bezieher von ALG II zu pauschalieren, ist genauso überflüssig, wie sie falsch ist. Überflüssig ist sie, weil durch die Richtwerte der Verwaltungsanweisungen zu den Unterkunfts- und Heizkosten ohnehin bereits eine Pauschalierung „unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten“ bei den Kosten der Unterkunft eingetreten ist. Nach § 22 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung an sich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, sofern sie angemessen sind. Eine individuelle Prüfung, ob in dem konkreten Einzelfall die Kosten angemessen sind, findet aber in den seltensten Fällen statt. Sofern die Verwaltungsanweisungen dies nicht ausdrücklich vorsehen, wird auch auf regionale Besonderheiten keine Rücksicht genommen. Während Bremen nach Orts- und Stadtteilen differenziert und eine Überschreitung der Richtwerte um bis zu 20 Prozent zulässt, ist es in Berlin nach der AV Wohnen egal, ob der Leistungsbezieher auf eine Wohnung im hochpreisigen Prenzlauer Berg angewiesen ist oder im vergleichsweise günstigen Marzahn wohnen kann.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Forderung von Alt auch falsch. Ein pauschaler Satz für Unterkunftskosten führt unweigerlich zu einer Entmischung der Wohnbevölkerung und zur sozialen Segregation. Weniger finanzstarke Mieter werden vertrieben; der Druck auch auf die derzeit noch bezahlbaren Stadt- und Ortsteile wächst, und damit wachsen auch die Probleme. Die sozialen Folgekosten einer solchen Entwicklung wären ungleich höher als die erhofften Einsparungen. STEFAN SENKEL, Berlin

Überbordende Bürokratie

■ betr.: „Mehr Freiheit oder weniger Geld“, taz vom 31. 3. 10

Jetzt überlegt sich der Staat also, wegen überbordender Bürokratie, die er selbst durch eigenes schlechtes „Management“ verschuldet hat, sich an den Arbeitslosen gesundzustoßen. Gäbe es einen allgemeinen Mindestlohn, könnte sehr viel Verwaltungsarbeit und damit Geld gespart werden. Würde darüber hinaus der Staat im öffentlichen Sektor Stellen schaffen, anstatt 1-Euro-Jobber hier und da für kurze Zeit einzusetzen und deren Zeit und mickrige Hinzuverdienste verwalterisch zu überwachen, könnte man sich die Arbeitskraft der dann nicht mehr Arbeitslosen durch den Wegfall der verwalterischen Überwachung auch leisten.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Allgegenwärtige Tarifflucht

■ betr.: „Ein Ökokapitalist sahnt ab“, taz vom 30. 3. 10

Jost Maurin hat in seinem Artikel ein wichtiges Thema aufgegriffen, nämlich die allgegenwärtige Tarifflucht, und dennoch in bemerkenswert typischer taz-Manier vollständig danebengegriffen. Das Problem ist nicht ein Einzelfall wie Alnatura, sondern die allgegenwärtige Tarifflucht, die in fast allen Branchen längst völlig normal ist. Das hätte Thema des Artikels sein müssen! IRIS MEYER, Hannover

Frühlingserwachen

■ betr.: „Raus mit Dir“!, sonntaz vom 3. 4. 10

Herausspaziert! / Mich ermuntert / ein ungeheures / Frühlingsverlocken – / leicht blass, / aber dafür nicht kalt. / Meine graue / Herzensfrische / trifft das / hervorpurzelnde / Frühlingserwachen – / mitten / im Wald. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln

Schreiben statt schrebern

■ betr.: „Komm in den Garten“, sonntaz vom 3. 4. 10

28 Seiten Gartentaz, ich dachte erst, das ist eine Sonderbeilage von Obi oder Hornbach. Gerne verzichte ich auf Sonderbeilagen mit vermeintlich spannenden Fragen wie: „Welcher Gartentyp sind Sie?“ Auch die Frage: „Was treibt so viele Menschen in den Garten“, möchte ich in der taz weder gestellt noch beantwortet bekommen. Das Ganze führt dann dazu, dass so ein spießiger Kleiderlappen wie die Kittelschürze auch noch zum coolen Lifestyle-Accessoire gepuscht wird, das rundet den ganzen Blödsinn ab. Wurde alles zwar ein bisschen sprachlich aufgehübscht, damit die Zielgruppe diesen Teil ihres spießigen Lebensentwurfs akzeptieren kann, aber letztlich steckt dahinter der Muff der Schrebergartenidylle, des Schrebergartendenkens. Bitte künftig schreiben statt schrebern!

ANDREAS HÖRMANN, Frankfurt am Main

Mitleidiges Lächeln

■ betr.: „Ostermärsche. Protest gegen Afghanistan-Einsatz“, „Deutsche Soldaten sterben bei Kämpfen mit Taliban“, taz vom 3. 4. 10

Im 50. Jahr sind es bundesweit tausende Menschen, die zur Erhaltung des Friedens mahnen und Protest gegen Rüstung und Krieg in der Welt erheben. In den medialen Schlagzeilen hat die Ostermarschbewegung eher kaum oder wenig Beachtung gefunden.Vielfach ernten Friedensbewegte ein mitleidiges Lächeln oder Unverständnis. Seit einigen Jahren befinden sich deutsche Soldaten mit modernstem Kriegsgerät wieder fern der Heimat in „Friedensmissionen“, wie es bisher hieß. Seit wenigen Jahren sind von den Ostermarschierern „Gefallene“ zu zählen. Gegen Krieg zu sein und etwas dagegen zu tun scheint durchaus nicht unmodern und lächerlich zu sein, wenn man es genau besieht. ROLAND WINKLER, Remseck