Vor der Gleichschaltung

GESCHICHTE Was lief in den Kinos, während die Nazis 1933 ihre Diktatur aufbauten? Eine Antwort gibt die Filmreihe „Zerstörte Vielfalt“ in Hamburg

Wie reizvoll eine Art Panoramablick auf ein bestimmtes Jahr sein kann, hat Florian Illies mit dem Bestseller „1913“ bewiesen. Ein ähnlich interessantes Jahr dürfte das erste Jahr des „Dritten Reichs“ sein: Eine Filmreihe im Hamburger Metropolis zeigt nun Spielfilme, die 1933 in die deutschen Kinos kamen.

Bereits von der „Film-Oberprüfstelle“ verboten war da etwa die geistreiche Komödie „Trouble in Paradise“ vom 1922 nach Hollywood emigrierten Ernst Lubitsch. Gezeigt wurde aber noch die Komödie „Victor und Victoria“ von Reinhold Schünzel, die in Witz und Stil an Lubitsch erinnerte. Noch im Deutschen Reich gedreht und dann von Goebbels verboten wurde dagegen Fritz Langs „Das Testament des Dr. Mabuse“. Lang floh nach Paris, nachdem ihm Goebbels den Posten einer Art Oberintendanten des deutschen Films angeboten haben soll – viele Historiker halten das aber für einen von Lang in die Welt gesetzten Mythos.

Ungelenke Propaganda

1933 gilt als eine Transformationszeit, in dem die Filmkultur noch nicht vollständig gleichgeschaltet war und Goebbels noch probierte, wie das NS-Kino aussehen sollte – die ersten Propagandafilme waren noch ziemlich grob gezimmert.

Ein von einer eigens gegründeten „Volksdeutschen Film GmbH“ produziertes Heldenepos über Horst Wessel war so schlecht, dass er nur mit einem veränderten Titel aufgefürt werden konte. Auch „S.A. Mann Brand“ von Franz Seitz gilt als misslungen.

Die UFA produzierte dagegen den handwerklich soliden „Hitlerjungen Quex“, der als einer der Sündenfälle des Schauspielers Heinrich George gilt. Das mächtigste und renommierteste deutsche Studio hatte sich schnell auf die neuen politischen Umstände eingestellt. Produzent Erich Pommer wurde gefeuert und kosmopolitische Werke wie die geplante „Odyssee“ wurden abgeblasen.

Der Star des arischen Kinos war schon 1933 Leni Riefenstahl. Nicht, weil sie in Nürnberg ihren ersten Parteitagsfilm „Sieg des Glaubens“ drehte, sondern weil sie in „S.O.S. Eisberg“ neben dem Flieger Ernst Udet eine schöne blonde Heldin spielte.

Max Ophüls machte dagegen mit „Liebelei“ nach dem Bühnenstück von Arthur Schnitzler seinen letzten Film in Nazideutschland. Nach dem Reichstagsbrand floh er nach Paris und von dort in die USA. Er drehte zwar 1955 „Lola Montez“ wieder in Deutschland, gilt aber zu Recht als französischer Filmemacher.  HIP

Filmreihe „Zerstörte Vielfalt“: ab 1. September, Metropolis, Hamburg; die Reihe wird im Oktober fortgesetzt www.metropoliskino.de