Ungezählte Brandherde

BRANDANSCHLÄGE Immer mehr Fahrzeuge gehen in Flammen auf, die Innenbehörde schweigt, die SPD poltert und die Täter werden immer jünger

Nicht erfasst: Weil Brandstiftungen nicht nach Objekten differenziert werden, kann die Polizei nicht sagen, wie viele Autos seit 2005 angezündet wurden.

Nicht gefasst: Bei politisch motivierten Brandstiftungen weist die Statistik für 2006 und 2007 eine Aufklärungsquote von 0,0 Prozent aus. 2008 wurden drei Verdächtige gefasst, die Quote so auf 16,7 Prozent gesteigert.

Die politische Debatte um die Bekämpfung der zunehmenden Anschläge auf parkende Autos ist entbrannt. Nachdem in der Nacht zu Dienstag in Groß Flottbek zehn Fahrzeuge in Flammen standen und eine Nacht zuvor in Harvestehude sechs Wagen dem Feuer zum Opfer fielen, holt SPD-Innenexperte Andreas Dressel zum Rundumschlag aus. Seine Kritik: Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) habe kein Konzept, um die Brandstifter zu fassen, zudem rücke die Polizei die aktuellen Fallzahlen nicht raus. Dressel: „Ahlhaus mauert, um von der katastrophalen Aufklärungsquote abzulenken“.

Hintergrund der Kritik ist die Reaktion auf eine Anfrage Dressels an den Senat, in der dieser mehrere Fragen unbeantwortet lässt, da diese „die Einsatztaktik der Polizei berühren“. Daran, dass laut Polizeistatistik nur 13 der 2009 über hundert erfolgten Brandstiftungen politisch motiviert waren, hat Dressel „große Zweifel“. Zudem kritisiert der SPD-Abgeordnete, dass die Zahl der Zivilfahnder leicht rückläufig ist. Geringere Präsenz sei „die falsche Antwort auf die Anschläge“. Laut SPD gingen seit 2004 mehr als 700 parkende Pkws in Flammen auf. Verurteilt wurden bislang nur ein Brandstifter zu einer Haftstrafe auf Bewährung.

Das Landeskriminalamt geht derweil davon aus, dass es sich auch bei den jüngsten Anschlägen nicht um politisch motivierte Taten, sondern um Vandalismus handelt. Die Fahndung nach den Tätern gestalte sich extrem schwierig, weil sich die Brandstiftungen nicht auf ausgewählte Stadtteile beschränkten, begründet Polizeisprecher Ralf Meyer die niedrige Aufklärungsquote. Zwar seien jede Nacht Zivilfahnder im Einsatz, doch bei rund 700.000 zugelassenen Autos in Hamburg könnten diese nicht das gesamte Stadtgebiet abdecken.

Immerhin: Ein Täter ist inzwischen ermittelt, doch auch er wird nicht vor Gericht gestellt werden. Am Montagnachmittag wurden in Osdorf zwei abgestellte Fahrzeuge in Brand gesetzt. Noch während die Beamten Zeugen befragten, steuerte eine Frau mit ihrem achtjährigen Sohn den Tatort an und bekannte, der Junge habe die Autos mithilfe von Papier angezündet. Ob dieser Aktion nach dem Muster „learning by burning“ politische Motive zugrunde lagen, konnten bislang weder die Polizei noch Andreas Dressel aufklären.MARCO CARINI