Leichen nur im Keller

KÖRPERWELTEN Schulleitung des Böse-Gymnasiums beruft sich für Verbot von Anatomie-Schau auf Elternwillen – ohne Rücksprache mit Betroffenen

„Die Ehrfurcht vor dem eigenen und vor dem fremden Körper wird gefördert“

Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer über Körperwelten

Ethische Bedenken, das Wohl der Kinder und das Interesse der Eltern hat die Vize-Direktorin des Hermann Böse Gymnasiums für das Verbot des schulischen Besuchs der Körperwelten-Ausstellung genannt (taz berichtete). Während sich Otts ethische Bedenken vor allem aus dementierten Medienberichten von 2004 speisen, sind ihre anderen Argumente zweifelhaft: Eltern und Kinder der vom Verbot betroffenen Klassen wurden zwar befragt. Aber nicht von der Schulleitung, sondern von den FachlehrerInnen, die Ausstellungsbesuche planten.

Dabei waren pädagogische Vorbereitung und Info-Briefe an die Eltern weit über das übliche Maß hinausgegangen. In allen Fällen wäre es bei Bedenken der Erziehungsberechtigten möglich gewesen, die Kinder während des Ausstellungsbesuchs in anderen Klassen unterzubringen. Zudem hatten mindestens in einem Bio-Kurs ausdrücklich die Kinder den Wunsch, die Schau zu besuchen, an Lehrkraft und MitschülerInnen herangetragen: Kein Wunder, denn das HBG ist fast direkter Nachbar der Ausstellungsräume im alten Postamt.

Während Plastinator Gunther von Hagens auf das Verbot spontan mit einer Promo-Aktion reagierte – HBG-SchülerInnen haben dort bis 25. April gegen Vorlage ihres Schülerausweises freien Eintritt – stellte sich Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) in der Bürgerschaft hinter die Schulleitung. Das Verbot sei „nicht zu beanstanden“, sagte sie. Es entspreche Paragraf 62 des Schulverwaltungsgesetzes. In der Tat – das passt. Allerdings sind, heißt es in der zitierten Bestimmung weiter, „die jeweiligen Konferenzen unverzüglich über die Entscheidung zu informieren“. Das ist offenkundig nicht geschehen: Selbst FachlehrerInnen, die einen Ausstellungsbesuch fest geplant hatten, wurden nur per Aushang angewiesen, ihn zu unterlassen.

Das ist umso bemerkenswerter, als dass sich die mehrfach in die Öffentlichkeit drängende Vize-Direktorin höchstens fahrlässig über die Ausstellung informiert hat. So teilte sie Bild schon im März mit, bei der Schau handele es sich um „perversen Schwachsinn“. Im Weser-Kurier kolportierte sie nun, von Hagens benutze Leichen Hingerichteter – ein Gerücht, das 2004 der Spiegel aufgebracht hatte – und prompt zurücknehmen musste: Gerichtsfeste Belege für die Gruseltheorie fehlen. Dagegen haben unterschiedliche pädagogische Verbände – so der hessische „Verband Bildung und Erziehung“ und der „Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer“ – den Besuch der von Hagens-Ausstellung ausdrücklich empfohlen. „Die Ehrfurcht vor dem eigenen und dem fremden Körper“ stellt letzterer nach einer Begehung fest, „wird gefördert“. BES