Wer schützt Schüler vor solchen Bildern?

Alle paar Tage melden bayerische Behörden den Fund perverser Aufnahmen und Videos auf den Handys von Schülern. Etwas vorschnell fordern die Politiker Handyverbote – denn die sind kaum kontrollierbar. Lehrerverband setzt auf mehr Psychologen

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Während der Englischprobe ist Brigitte Freitag aufmerksam geworden. Ein Achtklässler, den sie schon einmal beim Spicken erwischt hatte, nestelte allzu auffällig unter Schulbank herum. „Da habe ich unter seinen Tisch geschaut und sah zwei Handys liegen“, erinnert sich die Rektorin der privaten Volksschule Moorenweis an die Schulstunde am vergangenen Mittwoch.

„Der Schüler war auch danach auffällig nervös, eindringlich hat er mich nach der Stunde gebeten, die Geräte wieder herauszugeben.“ Da wollte die Schulleiterin es genauer wissen: „Ich habe sofort gewaltverherrlichende und pornografische Videos gefunden und eine Lehrerkonferenz einberufen,“ erklärte Freitag der taz.

Am Nachmittag wurde die Polizei eingeschaltet, die mit einem halben Dutzend Beamten die Telefone der Jahrgangsstufen sieben bis neun untersuchte – und bei sechs Schülern zwischen 14 und 17 Jahren fündig wurde. „Wir sind dabei auf Videos gestoßen, die leider schon länger im Umlauf sind“, sagt Kriminalhauptkommissar Werner Kraus vom zuständigen Polizeipräsidium Fürstenfeldbruck. „Etwa die Enthauptung eines Soldaten, wohl im Tschetschenien-Krieg, einen Tierporno und das Video von einer Frau, der in den Kopf geschossen wird.“ Nicht der Besitz, aber die Weitergabe solchen Materials ist verboten.

Zwar schlagen auch andere Bundesländer Alarm, etwa Baden-Württemberg und Hessen. Aber vor allem in Bayern melden Schulen und Behörden alle paar Tage entsprechende Funde. Auch in Augsburg, Immenstadt und Kaufbeuren durchsuchte die Polizei erst jüngst hunderte Mobiltelefone und stieß dabei auf Videos mit abgeschlagenen Köpfe oder Aufnahmen von eigenen Schlägereien.

Als erster Bundespolitiker hat nun CSU-Generalsekretär Markus Söder ein Handyverbot gefordert: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder Filme von Vergewaltigungen oder Misshandlungen wie Fußballbilder tauschen“, sagte er der Bild am Sonntag. Sein Lösungsvorschlag: „Video-Handys sollten nicht mehr an Kinder unter 16 Jahren verkauft werden.“ In der vergangenen Woche war bereits der bayerische Schulminister Sigfried Schneider (CSU) mit einer vergleichbaren Idee auf wenig Gegenliebe gestoßen.

„Es ist leicht, Verbote aufzustellen, aber man muss sie auch kontrollieren“, sagt etwa Polizist Kraus. Denn die hundert Gramm leichten Geräte lassen sich lautlos stellen und in der Jackentasche verstecken – getauscht wird dann eben vor der Schule oder auf dem Klo.

Auch am bayerischen Schulministerium hat man das inzwischen erkannt. Inzwischen plane man „nicht in erster Linie“ ein Handyverbot, sondern wolle prüfen, ob sich der „Missbrauch weiter reduzieren lasse“. Schließlich sei schon seit April 2000 die Handybenutzung im Unterricht verboten. Wer es bei Prüfungen nicht ausschaltet, bekommt eine Sechs wegen „Unterschleifs“ – Spicken.

Auch Albin Dannhäuser, Präsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, sieht keine Ideallösung. Polizeirazzien an Schulen seien zwar eine Gratwanderung, aber manchmal nicht abwendbar: „Die Kinder müssen geschützt werden.“ Allerdings sei es wichtig, die tieferen Ursachen anzugehen. Denn das Abspielen solcher Videos im Kreise der Klassenkameraden sei ebenso Ausdruck eine schwachen Persönlichkeit wie Drogenkonsum oder Mobbing.

„Die Elternhäuser können das immer weniger auffangen. Deshalb brauchen wir Psychologen und Pädagogen, um die Kinder und Jugendlichen zu starken Persönlichkeiten zu machen“, sagte Dannhäuser zur taz. Dies sei der beste – und vielleicht einzige – Schutz vor perversen Bildern.

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