das wichtigste
: Die Ruhe des Verlierers

Früher ist Jens Bullerjahn ab und zu ausgetickt. Er war der Rowdie der SPD-Fraktion in Magdeburg, Lederjacke und offenes Hemd, und wenn er aus dem Raum stürmte, wiegten die alten Herren der Sachsen-Anhalt-SPD die Häupter. „Er war schnell bockig“, sagt Helmut Rehhahn, der früher mit ihm in einer WG gewohnt hat. „Ich hab versucht, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen“, sagt er selbst.

Inzwischen ist er 43, er kann stundenlang zuhören, und wenn Politiker oder Journalisten schwadronieren, bewegen sich die kleinen Augen aufmerksam hinter der Brille, als betrachte ein Schmetterlingsforscher seine Studienobjekte. So dürfte es auch jetzt werden. Schlappe? Desaster? Das SPD-Ergebnis in Sachsen-Anhalt ist enttäuschend, aber es ist eben das Ergebnis. „Ich werde nicht hektisch, sonder sehr sachlich und realistisch mit dem Ergebnis umgehen“, sagte er gestern abend.

Den Wahlsieger Böhmer kennt er schon lange. Der Ministerpräsident hat im Wahlkampf versucht, Bullerjahn als Anfänger hinzustellen. Wenn er darauf angesprochen wurde, schaute Bullerjahn interessiert und schickte ein paar Sticheleien gegen den Alten zurück. Aber er achtete darauf, keine Wunden zu reißen. Er hat vor der Wahl erklärt, dass er am liebsten mit Böhmer arbeiten würde. Und der gab ihm gestern im ARD-Studio einen ordentlichen Händedruck, wie man das unter alten Kumpels macht.

Die PDS ist bei den Sozialdemokraten nicht beliebt. Bis 2002 hatte es eine rot-rote Zusammenarbeit gegeben – die SPD regierte, die PDS tolerierte. Bullerjahn und Wulf Gallert von der PDS handelten als parlamentarische Geschäftsführer acht Jahre die Politik aus. Dann machte die PDS für alle Misserfolge die Sozialdemokraten verantwortlich und die Wähler verpassten der SPD eine Abreibung. Und nun hat die PDS wieder ein sattes Ergebnis eingefahren und die SPD hinter sich gelassen.

Matthias Platzeck hat versucht, Bullerjahn zu einem Star aufzubauen. Der Ingenieur wurde mit einem Traumergebnis in den Bundesvorstand gewählt und dann auch noch Chef des SPD-Forums Ostdeutschlands. „Jens Bullerjahn wird Ministerpräsident“, weissagte Matthias Platzeck vor ein paar Wochen im Wahlkampf und für einen Moment war die Fiktion eines Kopf-an-Kopf-Rennens Bullerjahn gegen Böhmer geschaffen.

Bullerjahn hört gern Hardrock. Viele Titel sind da duster, bis vor kurzem hatte er mal „Smoke on the water“ als Handy-Melodie. Aber wie gesagt: Bullerjahn ist ruhiger geworden. Da ist eine Niederlage eben auch nur ein Ergebnis.

GEORG LÖWISCH