Freiheit unerwünscht

Der im US-Gefangenenlager Guantánamo inhaftierte Deutschtürke Murat Kurnaz könnte laut einem Spiegel-Bericht schon seit Jahren frei sein. Deutsche Behörden hätten jedoch die Rückführung des seit vier Jahren im Lager auf Kuba einsitzenden Mannes nach Deutschland blockiert.

Laut Geheimdienstunterlagen, auf die sich der Spiegel beruft, waren der US-Geheimdienst CIA und der Bundesnachrichtendienst (BND) schon im Jahr 2002 zu der Erkenntnis gelangt, dass der in Bremen geborene Kurnaz nicht in Terrorakte verwickelt gewesen sei. Er sei lediglich „zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen, stehe in einem BND-Bericht ans Kanzleramt aus dieser Zeit. Der Mann habe „jedoch nichts mit Terrorismus, geschweige denn mit al-Qaida“ zu tun gehabt. Nach Ansicht des Bremer Anwalts Bernhard Docke stellt sich damit „die Frage der politischen, moralischen und juristischen Mitverantwortung Deutschlands“ für vier Jahre illegale Haft und Folter seines Mandanten in Guantánamo auf dramatische Weise neu.

Bereits für November 2002 hätten US-Behörden die Rückführung des Mannes nach Deutschland in Aussicht gestellt, seien von der ablehnenden Haltung deutscher Stellen aber überrascht gewesen, so der Spiegel. Der damalige BND-Chef und heutige Innenstaatssekretär August Hanning habe massiv gegen eine Rückkehr interveniert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe damals der CIA mitgeteilt, „aus deutscher Sicht“ bestehe der Wunsch, Kurnaz möge nach einer eventuellen Freilassung „nicht nach Deutschland“ zurückkehren. Anfang März hatte Berlin eingeräumt, dass drei Beamte des BND und Verfassungsschutzes im September 2002 den Gefangenen im Lager Guantánamo besucht und vernommen hätten. Dabei hätten sie versucht, den „Bremer Taliban“ als Spitzel anzuwerben.

Kurnaz wurde Ende 2001 in Pakistan festgenommen und war seitdem in Guantánamo. Für die Nachrichtendienste sollte er Informationen aus der Islamistenszene beschaffen. Kurnaz , so die Bundesregierung, habe sich prinzipiell bereit erklärt, als Informant zu arbeiten. Bei einer Besprechung im Kanzleramt entschieden die Präsidenten von BND und Verfassungsschutz aber, das Projekt nicht weiterzuverfolgen. Es gab Skrupel, Kurnaz gezielt in die Szene einzuschleusen, zumal eine solche Operation „erst nach einem längeren Zeitraum nach Rückkehr des Kurnaz Resultate liefern“ könne.

Der frühere grüne Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte schon vor Wochen erklärt, er habe sich sehr wohl im Fall des auf Guantánamo festgehaltenen Murat Kurnaz engagiert. Seit Februar 2002 habe es demnach einen umfangreichen Briefwechsel des Auswärtigen Amtes mit dem US-amerikanischen Außenministerium um Kurnaz gegeben. Fischer habe zudem an Kurnaz’ Eltern geschrieben. Auch mit Kurnaz’ Anwalt habe das Amt im Briefwechsel gestanden, der Menschenrechtsbeauftragte Tom Königs habe zudem die Anwälte getroffen. „Alle Aktivitäten waren durch den Umstand behindert, dass die USA argumentierten, sie seien gegenüber der Bundesregierung nicht verpflichtet, Auskünfte über einen türkischen Staatsbürger zu erteilen“, so berichtete die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck. KAWE