Ein Wechsel ist möglich

Das Publikum hofft immer auf ein Ereignis, das Spannung verheißt. Das gilt erst recht bei einer Bundestagswahl. Nichts stiftet mehr Desinteresse als ein Kampf, der vor dem Ende bereits entschieden ist. Anders als bei den Abstimmungen zum Bundestag der Jahre 1969 bis 1980, von 1994 bis 2005 wird für die Wahl am 22. September so getan, als wäre schon alles klar. Der Wahlkampf der CDU ist genau darauf ausgerichtet: Angela Merkel – wer sonst?

Wenn man weiß, dass Präsidialität, die Aura der Unangreifbarkeit, nicht naturgegeben ist, sondern von Spin-Doktoren ersonnen und gepflegt wird, kann man allerdings auch das begründete Gegenteil formulieren: Angela Merkel – warum eigentlich?

Ein Wechsel ist sehr wohl möglich mit dem Votum am 22. September, und die These, dass Angela Merkel als Chefin der nächsten Regierung irgendwie nur durchgewunken wird, ist bloß eine Behauptung von teils interessierter Seite. Zu diesem Befund muss kommen, wer sich die Bilanz ihrer Kanzlerinnenzeit anguckt. Persönliche und politische Skandale lösen einander ab – berufsqualifizierende Plagiate, Subventionen für Hotels, die Fehlplanung um den Euro Hawk, die national bornierte, vermeintliche Eurorettung, die NSA- und BND-Enthüllungen, die seltsame Familienpolitik, nicht zu vergessen der schamlos verdruckste Umgang mit migrantischen NeubürgerInnen –, und doch tut der veröffentlichende Mainstream, als herrschte Ruhe im Land. Die Wirtschaftsdaten sind ja so gut.

Aber ebenso kann eine Unruhe registriert werden, die nicht nur als Abstiegsangst der Mittelschicht beschrieben wird. Es gibt Nervosität in jenen Milieus, die sich in befristeten und Billigjobs verdingen müssen, wo nicht einmal ein Mindestlohn gezahlt wird. Es kann empören, dass Exporterfolg nicht für gerechte Reformen genutzt wird. Unter den Oberflächen gibt es auch Wut, die viel mit Verarmung der Habenichtse und Bereicherung der Wohlhabenden zu tun hat.

Ein Wechsel ist möglich – allein schon, um politisch so etwas wie Zukunft denken zu können.DAS WAHL.TAZ.TEAM