Schwarz-gelbe Restkoalition

„NRW ist jetzt noch wichtiger“: FDP kündigt nach dem Verlust der Regierungsbeteiligung in zwei Bundesländern klaren Profilierungskurs in Düsseldorf an. NRW-Verhalten im Bundesrat offen

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Das Timing der FDP-Pressekonferenz war suboptimal. Einen Tag nach dem enttäuschenden Wahlabend für die Liberalen legte der Düsseldorfer FDP-Fraktionschef Gerhard Papke gestern abfallpolitische Pläne vor: Der „graue“ und „gelbe Müll“ soll künftig in einer Tonne entsorgt werden. Die Analogie zum FDP-Abschneiden war unbeabsichtigt: Die liberalen Regierungsbeteiligungen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sind von der Wählerschaft entsorgt worden.

„Es ist schmerzhaft, dass wir in zwei Ländern nicht mehr weiter regieren werden“, sagte Papke über den „erkennbar durchwachsenen Wahlabend“. Die Folgen für die Freidemokraten sind weitreichend: Vorausgesetzt, die schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg sind erfolgreich, wäre die FDP nur noch an drei von 16 Länderregierungen beteiligt. Neben dem Südweststaat regieren die Liberalen in Niedersachsen – und in NRW.

„Die Arbeit in NRW wird jetzt noch wichtiger“, so Papke. Zugleich sandte der Fraktionschef indirekte Signale an die Koalitionskollegen von der CDU, die sich fortan wohl auf einen noch forscheren Auftritt der FDP gefasst machen müssen. „Ein kleiner Koalitionspartner muss immer darauf achten, erkennbar zu bleiben“, sagte Papke. In NRW wolle sich die FDP weiter als „Impulsgeber für die gemeinsame Regierungsarbeit“ der schwarz-gelben Koalition profilieren und werde dafür „programmatische Antworten auf allen Politikfeldern geben“. Dies sei eine „strategische Notwendigkeit“, sagte Papke im Pressezentrum des Landtags.

Vor allem der aus NRW kommende FDP-Bundeschef Guido Westerwelle hatte vor dem Urnengang in drei Ländern stets die Wichtigkeit der fünf FDP-Regierungsbeteiligungen in den Ländern betont. Angeführt von der schwarz-gelben Koalition in NRW sollte der liberale Block im Bundesrat FDP-Positionen durchsetzen: gegen die Mehrwertsteuererhöhung, für eine groß angelegte Reform der öffentlichen Finanzbeziehungen, gegen eine „Schmalspur“-Föderalismusreform à la CDU/SPD. Diese freidemokratische Strategie hat sich seit den Wahlen erledigt, die große Koalition hat fast eine Zweidrittelmehrheit in der Länderkammer.

Umso größer ist der Frust und das Profilierungsbedürfnis bei der FDP. NRW-Generalsekretär Christian Lindner geißelte gestern „die Entpolitisierung der Öffentlichkeit durch die Bildung der großen Koalition“. Auf Dauer werde Schwarz-Rot aber nicht verbergen können, dass mit „der Fortsetzung sozialdemokratischer Politik durch eine christdemokratische Kanzlerin Deutschlands Probleme nicht gelöst“ würden.

Lindners Tirade gipfelte in der Ankündigung: „Die FDP hat die Mission, als einzige politische Vertretung der Reformoptimisten eine programmatische Alternative zu beschreiben.“

Die CDU versuchte gestern hingegen, die Gefahr von liberalen Querschüssen herunterzuspielen. An der „reibungslosen Zusammenarbeit“ werde sich nichts ändern, sagte NRW-Bundesratsminister Michael Breuer der taz. Während der baden-württembergische Regierungschef Günther Oettinger schon vor den Sondierungsgesprächen mit den Liberalen ankündigte, im Bundesrat künftig die große Koalition zu unterstützen, möchte Breuer bei einer eigenständigen NRW-Linie bleiben. „Unsere Positionen decken sich oft mit der Bundespolitik, aber nicht immer“, sagte er – im Übrigen sei es „normal und vernünftig“, dass sich die FDP als Juniorpartner um eine eigenständige Profilierung bemühe.

Auch CDU-Bundespolitiker aus Nordrhein-Westfalen glauben nicht daran, dass Schwarz-Gelb zum Auslaufmodell mutiert und die Konflikte zwischen den Partnern zunehmen. „Es gibt keinen Grund für eine Panikreaktion der FDP“, sagte der Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. Im Gegenteil: „Düsseldorf muss nun beweisen, dass Schwarz-Gelb ein besseres Modell ist als eine große Koalition.“