SCHLAPPE FÜR WIKTOR JUSCHTSCHENKO BEI DEN WAHLEN IN DER UKRAINE
: Demokratischer Reifetest

Auch wenn noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind, ein Sieger der Wahlen in der Ukraine steht bereits fest: die Demokratie. Erstmals seit der Unabhängigkeit 1991 und nach der durch Demonstrationen erzwungenen Neuauflage der Präsidentenstichwahl 2004 haben dort nun auch freie und faire Parlamentswahlen stattgefunden. Angesichts der Tatsache, dass den Menschen im Nachbarland Weißrussland, wo Alexander Lukaschenko seine Kritiker von den Straßen prügeln lässt, diese Möglichkeit bislang verwehrt wird, kann dieser Umstand gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Zugleich bestätigen die vorläufigen Trends erneut einen klaren Zusammenhang zwischen regionaler Herkunft und politischen Präferenzen. Während die Parteien von Staatschef Wiktor Juschtschenko und Exregierungschefin Julia Timoschenko vor allem in der West- und Zentralukraine punkteten, hielten die Wähler im russischsprachigen Osten dem früheren Premierminister und Mann des alten Kutschma-Regimes, Wiktor Janukowitsch, die Treue.

Dass dessen „Partei der Regionen“ so gut abgeschnitten hat, ist so überraschend nicht. Denn anders als noch 2004 diente Janukowitsch sich dieses Mal dem Wahlvolk als Vereiniger der Ukraine und als wenn auch etwas zaghafter Reformer an. Diese Strategie wie auch die Enttäuschung vieler Wähler über die Zerstrittenheit des „orangenen Lagers“ dürften entscheidend zu dem guten Abschneiden von Janukowitsch beigetragen haben.

Was dieses Ergebnis für Janukowitsch wert ist, muss sich noch zeigen. Denn nach dem Inkrafttreten der Verfassungsreform wird jetzt erstmals das Parlament eine Regierung inthronisieren. Fraglich aber, ob Janukowitsch ihr angehören wird.

Am Prozess der Regierungsbildung aber wird abzulesen sein, ob die Parlamentarier ihre neue Verantwortung wirklich wahrnehmen oder ob es vor allem wieder um persönliche Machtgier und die eigene Bereicherung geht. Erst wenn eine neue Regierungskoalition steht, wird sich zeigen, ob die Ukraine auch diesen Reifetest in Sachen Demokratie bestanden hat. BARBARA OERTEL